Illegale Werbung mit Marlene Dietrich:Blauer, teurer Engel

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Von Kopf bis Fuß auf Schadensersatz eingestellt ist die Tochter von Marlene Dietrich. Jedenfalls wenn es um die Vermarktung ihrer Mutter geht. Jetzt hat sie vor dem Bundesverfassungsgericht Recht bekommen, und Toshiba muss zahlen.

Helmut Kerscher

Marlene Dietrich bringt 14 Jahre nach ihrem Tod immer noch die Gemüter in Wallung. Ihre weltberühmte Pose als bestrapste, mit Schleierblick und Zylinder auf einem Fass sitzende Nachtklubsängerin Lola Lola im Film "Der Blaue Engel" von 1930 hat zuletzt sowohl den Deutschen Juristentag als auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Letzteres veröffentlichte nun eine Entscheidung, die mindestens ebenso kunstvoll arrangiert und auf langfristige Wirkung angelegt ist wie die Posen der Dame von einst.

Die Karlsruher Richter billigten nämlich den Erben von Prominenten einen Schutz vor unfreiwilliger Vermarktung der Toten zu. Das geht weit über die einschlägigen Gesetze hinaus, die hier keinen Schadensersatz kennen - was schon dem Bundesgerichtshof zu eng war.

Das Problem: Schadenersatz galt bisher nur für Lebende

Konkret siegte Marlene Dietrichs einzige, 1924 geborene Tochter Maria Riva nach einem sage und schreibe 13 Jahre währenden Streit gegen den Elektronikkonzern Toshiba. Der hatte im Jahr 1993 in einer mehrfach geschalteten Zeitungsanzeige für Fotokopiergeräte mit dem "Blauen Engel" geworben, dem bekannten Zeichen für umweltfreundliche Produkte. "Vom blauen Engel schwärmen, genügt uns nicht", stand da neben einem Foto mit der nachgestellten Lola-Lola-Szene aus dem berühmten Film.

Ihrer Tochter ging dies zu weit. Ihr missfiel die Toshiba-Anzeige, aber nicht nur die - sondern auch die Vermarktung des Bildes und des Namens ihrer Mutter durch den Fiat-Konzern sowie die Kosmetikfirma Ellen Betrix. Weil all diese Werbekampagnen ohne ihre Einwilligung - und ohne Zahlungen an sie - geführt wurden, klagte Maria Riva auf Schadensersatz in Höhe der an sich fälligen Lizenzgebühren.

Das Problem dabei: Einen solchen Anspruch sah das Recht nur für Lebende vor. Bei Verletzungen des "postmortalen Persönlichkeitsrechts", also des Rechts Verstorbener, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) den Erben nur vergleichsweise harmlose Abwehransprüche zugesprochen, nicht aber Geld. Das musste im Jahr 1974 die Tochter des von den Nazis ermordeten, kommunistischen Hafenarbeiters Fiete Schulz erfahren.

Toshiba muss 70.000 Euro plus 13 Jahre Zinsen zahlen

Doch auf Maria Rivas Klagen im Dezember 1999 fand der BGH, es könne außer dem ideellen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts auch einen vermögenswerten geben. Bei ungenehmigter Vermarktung von Prominenten stehe zu Lebzeiten ihnen selbst und nach ihrem Tod deren Erben ein Schadensersatzanspruch zu. Andernfalls könne jeder beliebige Dritte den Namen und das Bild für Werbezwecke verwerten.

Diese "richterliche Rechtsfortbildung" ist nun von einer Kammer des Bundesverfassungsgerichts gebilligt worden. Zwar schütze das Grundgesetz nur die Menschenwürde eines Toten, nicht aber dessen "kommerzielle Ausbeutung". Es stehe jedoch der rechtlichen Anerkennung eines Schutzes der Erben nicht entgegen. Das hier maßgebliche Kunsturhebergesetz sei insoweit "ergänzungsbedürftig".

Nach dem Karlsruher Richterspruch zugunsten der Erben von Stars muss Toshiba die vom Oberlandesgericht München festgelegte Lizenzgebühr an eine Gesellschaft zahlen, die Maria Riva inzwischen zusammen mit ihrem Sohn gegründet hat: 70.000 Euro plus die in 13 Jahren aufgelaufenen Zinsen.

© SZ vom 28.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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