Hetze im Web:Nackte Tatsachen

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Eine US-Website sucht und findet die Feinde im eigenen Land. Es sind Künstler, deren Vergehen es sein soll, die Politik ihres Präsidenten nicht frenetisch genug zu bejubeln.

Bernd Graff

Was wird jetzt aus Bruce Springsteen? Er hat, das ist inzwischen üblich, vor wenigen Tagen auf seiner Website ein Statement verbreiten lassen, in dem er die Country-Band "Dixie Chicks" in Schutz nimmt.

"Wir wollen nicht provozieren", sagt Martie Maguire, "es geht uns auch nicht darum, nackt auf einem Magazin zu posieren. Es geht darum, sinnfällig zu zeigen, wie wir abgestempelt werden." (Foto: N/A)

Die Sängerin des Trios, Natalie Maines, hatte während eines Konzerts im vergangenen Monat gesagt, sie schäme sich dafür, dass US-Präsident Bush aus ihrem Heimatstaat Texas kommt.

Das hatte einen Wüstensturm des Entsetzens unter nicht wenigen ihrer Fans entfacht und zahlreiche US-Radio-Stationen hatten deren Musik aus ihrem Programm gestrichen.

Ms. Maines entschuldigte sich dann auch recht bald. Doch blieb der Druck auf die Band sehr groß.

"Ich mache mir Sorgen um meine Sicherheit", sagte gerade Bandmitglied Emily Robinson in einem Interview des US-Senders ABC.

Morddrohungen seien eingegangen, vor den Privathäusern der Sängerinnen sei randaliert worden. Die Dritte im Bunde, Martie Maguire, fügte hinzu, sie fühle sich "in die Zeit der Bücherverbrennung zurück versetzt."

Beschriftet mit Verleumdungen wie "Verräter", "Großmaul" und "Saddams Engel" auf bloßer Haut posieren die drei nun auf dem Cover von Entertainment Weekly. Man wolle, so Maguire, auf diese Weise zeigen, "wie wir abgestempelt werden."

Diese Vorgänge haben nun Bruce Springsteen veranlasst, ein paar klärende Worte ins Internet zu stellen.

"Die Dixie Chicks sind in meinen Augen hervorragende amerikanische Künstler, die amerikanische Werte schon deshalb vertreten, weil sie ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. Sie komplett aus dem Programm verschiedener Radio-Netzwerke zu verbannen, ist dagegen unamerikanisch.

Genau wie der Druck, der von der Regierung und Vertretern des 'Big Business' auf Künstler ausgeübt wird, um Einheitsdenken in der Kriegsproblematik zu erzwingen, sich gegen alles richtet, was dieses Land ausmacht.

Wir sind doch angeblich ausgezogen, Freiheit für den Irak zu erkämpfen. Dabei wird zur selben Zeit versucht, Leute einzuschüchtern und zu bestrafen, die diese Freiheit leben - hier bei uns zu Hause."

Damit ist Springsteen der Eintrag auf einer anderen Website sicher. Sie nennt sich in einem Wortspiel celiberal.com, weil sie Äußerungen von Celebrities, von Kultur-Prominenten, in einer Datenbank erfasst.

Allerdings nur jene Äußerungen, in denen sich die Celebs angeblich als "Liberale" erweisen. Und das ist ein Schimpfwort für die Betreiber dieser Website, die angeblich von "123 My Street" in "Some Place", Texas, aus betrieben wird.

Differenziert werden die VIP-Bemerkungen nach dem Grad ihres mutmaßlichen Anti-Amerikanismus'.

George Clooney findet sich mit seiner Bemerkung "Ich bin nicht klug genug und weiß zu wenig darüber, was wirklich passiert" als Kandidat der Blacklist wieder.

Hier werden die vermeintlich Schlimmsten aufgeführt, die sich angeblich "offensiv" gegen Amerika und seinen Präsidenten gestellt hätten. Sie seien seit Bushs Wahl wie "Fledermäuse aus ihren Höhlen" gekommen.

"Verweigere seinem/ihrem Werk die Unterstützung!" steht auch unter dem Namen von Julia Roberts, Madonna, Michael Moore, Spike Lee, Susan Sarandon, Tim Robbins und an die 40 anderen.

Jessica Lange etwa ist auf der Liste, weil sie gesagt haben soll, dass "es doch wohl möglich sein muss, ´Nein` zu diesem Krieg zu sagen."

Einfache "Lefties" finden sich in der Kategorie "Celiberals" wieder, etwa, weil sie offen für die Demokraten eingetreten sind.

Diese Liste ist weitaus umfangreicher als die Blacklist und kann über einen Denunzianten-Button von Lesern erweitert werden.

Lenny Kravitz ist hier aufgeführt, weil er zusammen mit einem Iraker ein Lied eingespielt hat. Tatsächlich ist hier auch schon Bruce Springsteen eingetragen, weil er sein Lied "Born in the USA" bei einem Berliner Konzert mit den Worten ankündigte, er wolle es an diesem Abend "für den Frieden" singen.

Nachdem er nun die Dixie Chicks verteidigt hat, dürfte sein Aufstieg in die Blacklist sicher sein. Dass die Frauenband dort längst geführt wird, muss da wohl nicht mehr eigens erwähnt werden.

Sollte diese Site ein Scherz sein - er wäre einer der schlechtesten.

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