Hertzkammer:Toben für die Quote

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Die feministische Soundkünstlerin Paula Temple legt im Blitz auf

Von Stefan Sommer

Softies, das sind immer die anderen: Genres wie Hardrock, Hardcore und Hardtechno zelebrieren musikalisch Wucht und Härte. Sie wollen lauter, schneller und aggressiver sein als der Mainstream. Die populärsten Vertreter dieser rüderen Gangarten sind oft Männer, die in ihrer Selbstinszenierung Urbilder einer archaischen Männlichkeit bedienen. Schnell verbindet man so auch ihre Kompositionen mit Maskulinität und Machotum. Paula Temple, Produzentin und DJ aus England, möchte mit ihrer Arbeit aufzeigen, wie Klänge und Töne ein Geschlecht bekommen. Sie baut knüppelnde, tobende Tracks, die klug und hintersinnig bloße Kraftmeierei und Brutalität bis ins Skurrile übersteuert ausstellen. Ihre Technostücke laborieren als feministische Versuchsanordnung zwischen krawalligem Berghainsound und schnaubenden Bohrmaschinen.

Seit etwa 20 Jahren steht Paula Temple für die Repolitisierung des Techno ein. Sie ist von Anfang an Teil der "female:pressure"-Bewegung. Das 1998 von den Künstlerinnen Electric Indigo, Acid Maria, Gudrun Gut gegründete Netzwerk will in den bis dahin recht eindimensionalen Diskurs der elektronischen Szene feministische und queere Perspektiven einspeisen. Die Ideen von "female:pressure" schließen an das Konzept von "Faceless-Techno" an, einer in den Neunzigern entstandenen Vorstellung, dass ein DJ weder ein Geschlecht noch ein Gesicht auf der Bühne haben sollte; die Musik spreche für sich. Die gesichtsverhüllenden Motorradhelme von Daft Punk und die Sturmmasken des Detroiter Projekts Underground Resistance wurden zu Symbolen dieser Welle. Ende der Nullerjahre gründete Temple ihr eigenes Label "Noise Manifesto", das diese post-humanen Fantasien heute endgültig umsetzen soll. Das Label beschließt eine Quote: Jede zweite Veröffentlichung soll für einen Act reserviert sein, der sich selbst nicht als männlich definiert - Cyborgs sind hingegen ausdrücklich erwünscht.

Paula Temple zählt mit Kolleginnen wie Charlotte de Witte, Nina Kravitz und Ellen Allien zu einer Generation weiblicher DJs, die aktiv Machtstrukturen der Szene verändern und aufbrechen möchte. Als Ingenieurin und Sounddesignern entwickelt sie selbst die Instrumente mit, die den technischen Fortschritt der elektronischen Musik bestimmen. Sie gilt als Erfinderin von einem der ersten Midi-Controller. Den Altherren-Vorwurf der technischen Ahnungslosigkeit von Künstlerinnen entlarvt sie als ängstliche Zuschreibung einer Gruppe, die irgendwann aus der Zeit gefallen zu sein scheint.

DJ Paula Temple, Samstag, 26. Mai, 23 Uhr, Blitz Club, Museumsinsel 1

© SZ vom 24.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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