Hertzkammer:Kühler Schmerz

Lesezeit: 1 min

Ciarra Black bringt den Techno zum düsteren Grunge

Von Rita Argauer

Die Haltung des Publikums auf Punk-Konzerten ist eine völlig andere als in Techno-Clubs. Zwar ist das in beiden Fällen ein Publikum, das gerne tanzt. Die Punks jedoch lassen sich vom Up-Beat der Musik und dem Skandieren ihrer Sänger zu einer Gruppe hochpushen, die Techno-Tänzer jedoch versinken individuell in einer Art Trance. Deshalb wirkt es erst einmal wie eine gut ausgedachte PR-Headline, wenn die Brooklyner Veranstaltungsreihe "No Tech" damit beschrieben wurde, das sei die Techno-Party, auf die die Punks zum Tanzen kämen.

Bei dem New Yorker Kollektiv, das derzeit mehr als Label und nicht mehr so sehr als Veranstalter auftritt, gibt es zumindest klangspezifisch Überschneidungen. Denn der Techno, der hier gespielt und produziert wird, nutzt die Sound-Elemente von Drone und Industrial: Verzerrte Beats und krachend rohe Klangflächen, die die rhythmische und strukturelle Haltung der elektronischen Musik beibehalten, sich aber die rauen, verzerrten und kaputten Klänge beim Punk und Metal leihen.

Die Musikerin, DJ und Produzentin Ciarra Black ist eine der Protagonistinnen von "No Tech". Ihre Musik ist dabei weniger Punk im Techno-Gewand als Grunge, übertragen auf die Ästhetik elektronischer Musik. Denn ihre Tracks streben nicht das Übervolle und Drückende des Punk an, sondern befinden sich mit Verzerrungen und Drone-Flächen in der Verlangsamung und Vereinzelung, die eben Bands wie die Melvins mit Gitarre, Bass und Schlagzeug als depressives Pendant zum Punk erzeugten.

Ciarra Blacks Album "Pendulum" beginnt mit einer stehenden Verzerrung namens "Contained", ohne Rhythmus, ohne Ziel und ohne Weg: Ein Klang, der nirgends hin führt und nach zwei Minuten in das erste wirkliche Stück des Albums mündet: "Chemical Burn" wird von einer Bassdrum im Subbereich angeschoben, Klängen, die sich - rückwärts abgespielt - selbst verschlucken und später mit einer kühl klirrenden melodischen Phrase einen Höhepunkt finden. Das ist Musik, die in ihrer Düsterkeit und dem unterkühlten Schmerz, den sie gleichzeitig verbreitet, zum Zeitgeist zu passen scheint. Und es ist die endgültige und nihilistische Auflösung des Hippie-Loveparade-Technos in Neonfarben.

Ciarra Black , Samstag, 7. Oktober, 22 Uhr, Rote Sonne, Maximiliansplatz 5

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: