Hertzkammer:Bunte Sachen

Lesezeit: 1 min

Musik muss beworben werden, was zu einer Kunstform wurde

Von Rita Argauer

Musikalische Veranstaltungen brauchen Aufmerksamkeit. Denn das öffentliche Präsentieren - seien es Rumpel-Bands in kleinen Punk-Kneipen oder Plattendreher in Elektro-Clubs - verliert seinen Sinn, wenn keiner kommt. Also hat sich um die Musik herum eine eigene Kunstform entwickelt: die des Musik-Bewerbens. In der nordamerikanischen Alternative-Szene der Neunzigerjahre standen dafür Collagen hoch im Kurs. Da wurden diverse Motive aus Zeitschriften ausgeschnitten, wild zusammengeklebt, handschriftlich die Eckdaten der Veranstaltung dazu geschrieben und dann in grobkörnigem Schwarz-Weiß kopiert. Die etwas edlerer Variante davon sind Siebdruck-Poster. Siebdruck erfordert in gewissem Sinne auch eine Collagentechnik. Der Druck erfolgt in einfarbigen Schichten, das Motiv muss vorher in diese Schichten gerastert und auf Filme kopiert werden, die wiederum zur Belichtung des Siebes dienen. Und dann wird in bestem Manufaktur-Geist gedruckt.

Doch auch hier funkte irgendwann das Internet dazwischen. Ende der Neunzigerjahre waren Flyer und Plakate noch ausgesprochen hilfreiche Werbemaßnahmen, heute dienen sie allenfalls als Luxus-Beiwerk zur Facebook-Veranstaltung. Und doch haben Siebdruck-Poster in letzter Zeit eine ähnliche Aufwertung erfahren wie Schallplatten. Heute sind sie Lifestyle- und Liebhaber-Objekt und machen sich gut im Wohnzimmer über dem Plattenspieler. So wurde schon 2002 in San Francisco das "American Poster Institute" gegründet - eine Non-Profit-Organisation, die all die Künstler, die unermüdlich solche Poster gestalten, verbindet. Dazu veranstaltet es die "Flatstock" - eine Art Wanderausstellung und Poster-Messe, bei der die Künstler mit ihren Werken einer Band gleich durchs Land touren. Eine Dependance der "Flatstock" gibt es seit 2006 jährlich im September in Hamburg, während sich der in Dresden und Leipzig mit "Colored Gigs" nun auch schon zum siebten Mal eine ähnliche Veranstaltung anschloss.

Mit Bernd Hofmann hat München einen ebenso aktiven Künstler dieser Szene. Der gründete - quasi als Werbemaßnahme für seine Kunst - das Label Red Can Records und druckte Plattencover und Poster; mittlerweile widmet er sich fast ausschließlich dem Drucken und weniger dem Plattenveröffentlichen. Und da Hofmann in der deutschen Poster-Szene kein Unbekannter ist, hat er nun dem frühherbstlichen und eher norddeutschen Ausstellungswandern einen süddeutschen Stopp organisiert. Im temporären Kunstraum Köșt eröffnet nun die erste München-Ausgabe der "Colored Gigs".

Colored Gigs , Vernissage: Freitag, 18. September, läuft bis So., 20. September, Köșt, Schrenkstr. 8

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: