Große Verleger-Irrtümer:"Gib´s auf!"

Lesezeit: 1 min

"Lolita" von Vladimir Nabokov? George Orwells "Farm der Tiere"? Überhaupt: Jack Kerouac, Jean-Paul Sartre, Isaac Singer, Anais Nin und Mordecai Richter: Groß ist die Zahl der Autoren, deren Manuskripte zurückgewiesen wurden.

Volker Breidecker

Da rede keiner von Größe, Bedeutung oder Qualität! Die "Lolita" von Vladimir Nabokov? Abgelehnt, da "allzu pikant"! Pearl S. Bucks Roman "Die gute Erde"? Abgelehnt, denn kein Amerikaner interessiere sich für "chinesische Vorgänge". "Giovannis Zimmer" von James Baldwin? Abgelehnt, weil "hoffnungslos schlecht". George Orwells "Farm der Tiere"? Abgelehnt, weil sich "Tiergeschichten in den USA unmöglich verkaufen" ließen. Jorge Luis Borges? Abgelehnt, da "vollkommen unübersetzbar". Sylvia Plath? Abgelehnt, da es ihr an "hinreichend genuinem Talent" mangele. Tony Hillerman? Der solle mal "diesen ganzen Indianerkram" lassen. Jack Kerouac, Jean-Paul Sartre, Isaac Singer, Anais Nin und Mordecai Richter, aber auch die Historiker A. J. P. Taylor und Barbara Tuchman: Groß ist die Zahl der Autoren, deren Manuskripte oder deren zur Übersetzung ins Amerikanische vorgeschlagenen Bücher mit einem vom berühmten Verleger Alfred A. Knopf zumeist eigenhändig formulierten Begleitbrief zurückgewiesen wurden.

Die Schauspielerin Dominique Swain in ihrer Rolle der "Lolita" im gleichnamigen Film von Regisseur Adrian Lyne. (Foto: Foto: dpa)

Die gesammelten Gutachten auch aller abgelehnten Projekte aus der langen Geschichte des im Jahr 1915 gegründeten, vormals konzernunabhängigen New Yorker Verlagshauses sind mitsamt der zugehörigen Korrespondenz heute an der Texas University in Austin einsehbar. In rund 15 000 handlichen Kästen ruht dort das Verlagsarchiv und erfreut sich der wachsenden Aufmerksamkeit durch Forscher. Zuletzt hat sich der Historiker und Pulitzer-Preisträger des Jahres 2006 David Oshinsky dort umgesehen und einige Kostproben seiner Funde am vergangenen Wochenende in der New York Times ausgebreitet. Jenseits der spektakulären Fehlurteile des Verlegers und seiner bestellten Gutachter zeigt sich Oshinsky allerdings stark beeeindruckt von der heute ausgestorbenen und "verlorenen Kunst" des verlegerischen Ablehnungsbriefes. Freilich beschloss der große Alfred Knopf (1892-1984) seine Briefe auch nicht immer mit solch markigen Donnerworten wie im Falle eines schon damals prominenten Historikers von der New Yorker Columbia University, dem er ins Stammbuch schrieb: "Gib"s auf, MacDuff!"

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.208, Montag, den 10. September 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: