Grönemeyer bei Beckmann:Mensch Herbert

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Zuerst verdrängte Herbert Grönemeyer Tokio Hotel von der Charts-Spitze. Bei Beckmann outete er sich als Fußballtrainingsmuffel und brachte mit entspannter Weisheit den Moderator ins Schwitzen.

Dirk Peitz

Herbert Grönemeyer eilt von früher her unter Journalisten noch der Ruf voraus, ein äußerst unentspannter, stets abwehrender Interviewpartner zu sein. Auch wenn Menschen, die ihm nahestehen, seit langem schwören, Grönemeyer sei privat ganz anders.

"Tokio Hotel toppen? Na klaro!" Grönemeyer stellt sein neues Album "12" vor. (Foto: Foto: dpa)

Dennoch: Es existieren ohnehin wenige Interviews mit ihm, und ganz wenige davon haben den anderen Grönemeyer mal gezeigt. Eines ist knapp vier Jahre alt, Moritz von Uslar hat es geführt, für die Tour-DVD Mensch Live. Darin gibt es einen wundervoll zarten Moment, als Uslar plötzlich die Frage stellt: "Wann hast du dich das letzte Mal mit Anna unterhalten?" Anna, das ist Anna Henkel, Grönemeyers 1998 verstorbene Ehefrau.

Trauer war das wesentliche Thema des 2002 erschienenen Albums Mensch, das aus dem erfolgreichen Sänger das Phänomen Grönemeyer machte, eine Art gigantisches Über-Ich der Deutschen in Sinn-Angelegenheiten. Uslars Frage nach der Zwiesprache mit den Toten nun scheint Grönemeyers Erfahrung so entsprochen zu haben, dass er ohne Zögern antwortet: "Vor ein paar Tagen". Interessanterweise hat es diese Stelle, die im Internet zu sehen war, nicht auf die DVD geschafft.

Eine ähnlich gute Frage ist Reinhold Beckmann am Montag nicht eingefallen, als er die vollen 75 Minuten seiner Sendung dem Sänger widmete. Trotzdem war das insofern kein weiteres gescheitertes Grönemeyer-Interview, als dass der sich vor der Kamera mal tatsächlich locker zeigte.

Calvinistischer Einfluss, aber Fußballmuffel

Das mag seiner momentanen Gemütsverfassung entsprechen, wie sie auch das neue Album 12 widerspiegelt: Dieser Grönemeyer macht sich zwar weiter Sorgen um den Lauf der Dinge, aber seine Kunst speist sich nicht mehr aus privaten Sorgen. Der Mann ist mit sich im Reinen. Und dennoch erwartet man von einem derart ausführlichen Interview mit ihm, wenn nicht das Besprechen vergangener Schicksalsschläge, so doch jedenfalls vergleichbar berührende Momente, wie sie Grönemeyer in seinen Liedern herzustellen weiß.

Beckmann aber vermied es, dem Gast zu nahe zu treten. Zweimal nur fragte er nach Anna Henkel, und er tat dies auf seltsam indirekte Art: Indem er etwa wissen wollte, ob sie ein Korrektiv in Textfragen für Grönemeyer gewesen sei. Dessen aktuelle, längst bekannte Beziehung war erst gar kein Thema.

Beckmann erkundigte sich lieber nach Grönemeyers Trainingsfaulheit als jugendlicher Fußballer. Dessen Steilvorlagen ließ der Interviewer eher ungenutzt: Als der Musiker über den Einfluss des calvinistischen Glaubens seines Vaters sinnierte, hakte Beckmann ebenso nur halbherzig nach wie bei Grönemeyers Bemerkung, er sei früher "kein Entspanner" gewesen, er habe stets unter Druck gestanden.

Es musste ja offenkundig verabredungsgemäß noch über Grönemeyers Engagement für Afrika geredet werden. Als das abgehandelt war, stellte Beckmann einen Plattenspieler auf den Tisch, und die zwei Männer, die beide im vergangenen Jahr 50 geworden sind, spielten sich ihre alten Lieblingslieder vor, von Randy Newman und den Doors. Da sprach Herbert Grönemeyer sehr weise, dass man das eigentlich auch nach der Sendung machen könne. Der Einzige, der da unentspannt aussah, war Reinhold Beckmann.

© SZ vom 14.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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