Gremium fordert Pochers Rauswurf:Verständnislose "Gremlins"

Lesezeit: 2 min

Über Humor lässt sich streiten: ARD-Rundfunkräte ohne Sinn für Satire könnten Oliver Pocher schon bald zu RTL treiben.

Christopher Keil

Eines der größeren Missverständnisse im öffentlich-rechtlichen Fernsehsystem ist das von der ARD und ihren Gremien. Die Rundfunkräte wurden gerade erst aufgewertet durch die EU-Wettbewerbskommission. Sie hat die Gremien der gebührenfinanzierten Anstalten ermächtigt, neue digitale und internetfähige Programme von ARD und ZDF künftig zu genehmigen oder zu untersagen.

"Pietätlos"? Weil Oliver Pocher den Kinostart von "Operation Walküre" satirisch kommentierte, möchten ihn einige Rundfunkräte loswerden. (Foto: Foto: dpa)

Nun gibt es viele, die bezweifeln, dass deutsche Rundfunkgremien in der Lage sind, alle ordnungspolitischen, wirtschaftlichen und alle fernsehspezifischen Faktoren und Argumente in ein begründetes, unabhängiges Urteil einfließen zu lassen. Anders ausgedrückt: Rundfunkräte haben - nicht erst seit Günther Jauch sie als "Gremlins" bezeichnete, denen er sich nicht aussetzen wollte - kein ganz gutes Image. Das mag oft ungerecht sein, doch zuletzt bemühte sich der Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR), Vorurteile zu bestätigen.

Weil Oliver Pocher in der ARD-Latenight-Show Schmidt & Pocher am Donnerstag vergangener Woche den Kinostart des Hollywood-Thrillers Operation Walküre satirisch kommentierte, will ihn die Stuttgarter Gremienmacht aus dem Ersten entfernen lassen. Die veröffentlichten Zitate zweier Mitglieder, so sie denn stimmen, reichen von "pietätlos" über "ehrabschneidend" bis man solle ihn "den Privaten überlassen".

Das passt insofern, weil es wohl nicht mehr lange dauern wird, bis Pocher, 30, von RTL engagiert wird. Seit feststeht, dass Harald Schmidt von Herbst an nicht mehr mit Pocher zusammenarbeiten möchte, verhandelt ARD-Programmdirektor Volker Herres mit dem oft zotigen Komödianten. Herres will Pocher unbedingt weiter beschäftigen, sucht ein neues Format für ihn. Doch ein weiteres großes Missverständnis ist das von der ARD und dem jungen Publikum. Der SZ sagte Herres am Sonntag: "Wer es ernst meint damit, dass wir die jüngeren Zuschauer noch erreichen wollen, der muss auch aushalten können, was ihm selbst nicht zusagt."

Völlig absurd und unverständlich ist es, Pocher jetzt zu kritisieren. Er trat mit Augenklappe in einer Satiresendung auf und sagte: "Mit dem Ersten sieht man besser" - in Anspielung auf die ZDF-Kampagne, bei der Prominente ein Auge mit der Hand verdecken und versprechen: "Mit dem Zweiten sieht man besser." Auch Pochers Sätzchen, Valkyrie sei ein Film, "der die Welt verändern wird: Viele werden sich freuen, vor allem mein Opa, dass er das noch einmal erleben darf", taugt nicht für eine moralische Entrüstung. Gerne lächeln deutsche TV-Manager über ein flaches Programm der amerikanischen Networks oder Kabelsender, wenn es um politische Berichterstattung geht. Tatsächlich bietet das Fernsehen der USA eine kompromisslose politische Satire, namentlich durch Jon Stewart oder Stephen Colbert, gegen die Pocher zu einem Stand-up-Comedian in Ausbildung schrumpft. Harald Schmidt kann so eine Stauffenberg-Nummer viel schärfer, wirkungsvoller präsentieren.

Man braucht Pocher - der verpflichtet wurde, um ein junges Publikum für die ARD zu interessieren, was ihm gelang - nicht komisch oder scharfsinnig zu finden. Man kann ihn ziehen lassen. "Mit Programmkritik", sagt Programmchef Herres, "kann ich gut leben." Probleme bereite ihm "der öffentliche Vertreibungsversuch". In diesem Punkt sind die Fälle Jauch und Pocher vergleichbar.

Wie wird nun der SWR-Intendant Peter Boudgoust reagieren, der seit 2009 auch ARD-Vorsitzender ist? Der SWR-Rundfunkrat erregte sich schon einmal über Schmidt & Pocher ("Nazometer"). Vorführen lassen kann sich Boudgoust, der intern bisher angeblich sehr auf Satire hielt, nicht von seinen Räten.

© SZ vom 26.1.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: