Götz Georges "Tatort"-Kritik:Da lachen ja die Mörder

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"Frisöre, Köche und andere Knalltüten": Götz George verhöhnt die neuen Fernseh-Stars. Von den aktuellen "Tatort"-Darstellern hält er nichts: Am besten findet er immer noch sich selbst als Schimanski.

"Die Wertigkeit des Künstlers ist nicht mehr gefragt. Die Menschen, die heute populär sind, das sind Frisöre, Talkmaster und Frauen mit gefärbten Haaren und aufgepumpten Brüsten und Köche. Köche!", ereifert sich der 68-jährige Götz George. Das Fernsehprogramm macht ihm schlechte Laune, und wenn er vor die Tür geht, wird es auch nicht besser: Bei gesellschaftlichen Anlässen stehe "man plötzlich neben Frisören, Köchen, Telenovela-Sternen und anderen Knalltüten. In dem Punkt bin ich wie Schimanski. Der verbündet sich nicht mit Menschen, die er nicht mag", erklärt Götz George in einem Interview mit der Fernseh-Zeitschrift "Gong".

Hat's nicht leicht mit der Gegenwart: Der Schauspieler Götz George, aufgenommen am 21.3.2007 im Hafen in Duisburg. (Foto: Foto: dpa)

Das Fernsehgeschäft habe sich völlig gedreht, erläutert der gebürtige Berliner: "Früher gab es sechsmal im Jahr einen "Tatort". Das war ein Highlight. Heute läuft zweimal am Tag ein "Tatort", jeder zweite Schauspieler wird "Tatort"-Kommissar. Da sind die ganzen Spitzen abgeschnitten". Derweil meldet "Bild" am heutigen Donnerstag, dass der 34-jährige Schauspieler Mehmet Kurtulus als Nachfolger von Robert Atzorn für den Hamburger "Tatort" gehandelt werde.

In der TV-Branche sei man als Darsteller, wie Götz George in der "Gong" analysiert, dauernd Depression und Neid ausgesetzt: "Seit der Wiedervereinigung. Da sind so viele Schauspieler dazugekommen, die auch alle einen Job haben wollen. Das wurde von den Produktionsfirmen und Sendern schamlos ausgenutzt. Motto: Der ist genauso berühmt und spielt den Bösewicht so gut wie der andere, nur billiger".

Götz George bekennt: "Ich selbst ziehe mich zurück, weil mir die Situation in diesem Land über den Kopf wächst". Er vertraut sich seinem Tagebuch an: "Jeden Abend mache ich mir Notizen. Damit ich am Ende des Jahres Bilanz ziehen kann. Jeden Tag eine Seite, samstags und sonntags eine halbe. 'Schlecht geschlafen. Guten Regisseur XY kennen gelernt. Gutes Wetter. Fühle mich wohl - oder fühle mich beschissen' ".

Götz George begeht am 22. April in der ARD mit "Schimanski - Tod in der Siedlung" seit 25-jähriges Dienstjubiläum als raubeiniger Ruhrpott-Ermittler mit dem Schnauzbart und der hüftlangen, beigen US-Feldjacke. Zu diesem Anlass hat er eine seiner beliebten medialen Kritikkanonaden gestartet, für die er spätestens seit seinem Auftritt bei "Wetten, dass...?" im Jahre 1998 berühmt ist, als er Thomas Gottschalk für dessen filmisches Frühwerk attackierte.

Jetzt äußerte er sich nicht nur in der "Gong", sondern auch in der "Hörzu": Dort heißt es, dass Götz George bei der Vielzahl der TV-Krimis "die Schimanski-Figur immer noch für die spannendste unter allen deutschen Ermittlern" halte. Horst Schimanski vereine Charakterzüge in sich, die man sonst kaum noch finde, erklärte er. Auf die Frage, ob er an der Rolle hänge, antwortet George: "Ach, gar nicht. Als beim WDR für Schimanski neue Sendeplätze gesucht wurden, habe ich gesagt 'Kinder, was redet ihr hier rum? Dann streicht ihn ganz vom Plan!'."

Er fügte hinzu: "Ich bin es auch leid, stets hochwertige Filme abzuliefern und im Nachhinein immer zuerst auf die Quote angesprochen zu werden, nach dem Motto 'Was nutzt uns so ein schöner Schimanski, wenn er keine Quote bringt'."

George zeigt sich resigniert, was den Geschmack des Publikums angeht. "Der Absturz ging los mit den Privaten. Die haben nie Rücksicht aufs Niveau genommen. Hauptsache, die Zahlen stimmen", schimpfte er. "Selbst die Öffentlich-Rechtlichen sind inzwischen wie die Indianer, die die Privaten ausspähen und deren Quotenerfolge nachmachen."

Der Niveauverfall sei nicht mehr zu stoppen, meint der Schauspieler. "Den Zuschauer muss man erziehen und an Qualität heranführen. Aber der Geschmack des Publikums ist schon zu versaut."

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