Glosse:Heimsuchung

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Bärtige, die das Heimchen am Herd mimen: Das Möbelhaus Ikea hat mächtig Ärger, weil es in Israel für die streng orthodoxe "charedische" Gemeinschaft ein Werbeheft herausgebracht hat, das eine Wohnwelt ganz ohne Frauen zeigt.

Von Gerhard Matzig

Margarete Schütte-Lihotzky besaß nicht nur einen grandiosen Namen, sie war auch die erste Frau, die in Österreich ein Architekturstudium abschließen durfte. Außerdem hat die Verehrungswürdige, die vor bald zwei Jahrzehnten im Alter von 102 Jahren gestorben ist, die "Frankfurter Küche" erfunden. Das war die erste moderne, nämlich funktional und zeitökonomisch organisierte Küche der Welt. Frauen sollten darin überflüssig werden. Man traf die wunderbare Erfinderin einmal in Wien, wobei sie sagte: "Frauen sollten in die Welt - und Männer in die Küche gehen." Trotzdem machte sie einem ein Butterbrot zum Abschied. In der Küche. Man vermisst sie.

Gerade auch in diesen Tagen, da sich eine Ikea-Filiale in Israel etwas Irrlichterndes ausgedacht hat, das womöglich nur Margarete Schütte-Lihotzky, die einen fabelhaften Sinn für Ironie hatte, gefallen hätte. Ikea hat eigens für die streng orthodoxe "charedische" Gemeinschaft ein Werbeheft herausgegeben, in dem nur Männer mit Bärten zu sehen sind. Frauen und Mädchen sind tabu. Denn die ultrareligiöse Gemeinschaft legt Wert auf die totale Trennung der Geschlechter. Sie macht etwa zehn Prozent der Einwohner Israels aus, die Klippan-Nachfrage der Kippaträger ist für Ikea also nicht unbedeutend. Folglich sieht man im entsprechenden Katalog nur Bärtige, die in der Küche hantieren. Die das Sofakissen richten. Die verträumt am (religiös erbaulich bestückten) Bücherregal lehnen. Die also das Heimchen am Herd mimen in einer vom Weibe befreiten Wohnwelt. Alles, was zwei X-Chromosomen hat, ist im Sinne Schütte-Lihotzkys draußen in der Welt, während die Kerle die Küche auf Vordermann bringen. So weit, so okay.

Gäbe es das Gerechtigkeitsempfinden des Postfeminismus nicht. Denn seit die schockierende Nachricht in der Sofalandschaft ist, bläst Ikea der Gender-Wind der Empörung ins Möbelhaus, dass es den Besteckkasten Stödja im Küchenoberschrank Metod nur so schüttelt. So viel Ärger hat Ikea nicht mehr gehabt, seit es "Billy" vom Markt nehmen wollte. Inzwischen hat sich das Unternehmen entschuldigt und versprochen, künftig mehr Frauen im Wohnambiente zu berücksichtigen. Man stehe zur "Rechtegleichheit". Am Herd. An der Spüle. Beim Bügeln. Pyrrhus, auch so ein Schrankwand-Macho der Geschichte, muss die Rechtegleichheit zwischen dem Bettwäscheset und den Backutensilien gemeint haben, als er sagte: "Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!"

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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