Gerichtsstreit:Sieg für den Humor

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Studentinnen der Hochschule für Fernsehen und Film drehten mit Erlaubnis einen Film über den Elmau-Gipfel. Doch Elmau-Besitzer Müller-Elmau gefiel das Werk nicht. Er wollte es verbieten lassen, unterlag aber vor Gericht

Von Christina Prasuhn

Längst ist der G7-Gipfel aus den Medien verschwunden. Über das Klimaziel spricht kaum noch jemand. Und auch die Merkel-Obama-Memes mit der weltberühmten Holzbank geraten langsam in Vergessenheit. Nur im Zimmer 101 des Landgerichts München II werden die Themen weiter verhandelt. Es geht um Humor - keine leichte Aufgabe für die Richterin Regina Leitner, an deren Verhandlung an diesem Morgen so viele Zuschauer Interesse haben, dass zunächst zusätzliche Stühle organisiert werden müssen.

Der von Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) auf Schloss Elmau gedrehte Climate Clip "Angie & Barack" hat offenbar den Humor des Schlossherrn Dietmar Müller-Elmau so wenig getroffen, dass dieser eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung erwirkt hat. Die Zeit drängt, da der nur 90 Sekunden lange Film noch am Abend des Verhandlungstages beim Filmfest der Filmhochschulen eingereicht werden soll. Auch wenn von Seiten der HFF als Antragsgegnerin deutliches Interesse daran signalisiert wird, den streitgegenständlichen Film zu Beginn der Verhandlung kurz zu sichten, geht die Richterin auf den entsprechenden Vorschlag der Rechtsanwältin Heidrun Huber nicht ein. Stattdessen zitiert sie - durchaus mit einer gewissen Komik - aus Wikipedia die Definition eines "social spot", um den Charakter der Aufnahmen näher zu bestimmen, und merkt in diesem Zusammenhang an, dass über Humor sehr verschiedene Auffassungen bestehen könnten.

Was genau an einer Parodie mit Doubles von Merkel und Obama, die gemeinsam auf der berühmten Holzbank sitzen und lieber angetrunken herumalbern, statt wichtige globale Probleme zu diskutieren, problematisch sein soll, ist nicht der eigentliche Gegenstand der Verhandlung. Vielmehr geht es um die wichtigen Fragen, wer wann was zu wem gesagt hat, ob er oder sie dazu überhaupt befugt gewesen ist und welche juristischen Konsequenzen sich daraus ergeben können.

Konkret: Wenn die Studentinnen Laura R. (23) und Laura M. (24) bei der Zentrale von Schloss Elmau anrufen und bitten, mit der für eine Drehgenehmigung zuständigen Person verbunden zu werden, können sie dann davon ausgehen, dass die Person, mit der sie verbunden werden und die ihnen die entsprechende Erlaubnis erteilt, auch tatsächlich zuständig ist? Nicht nach Meinung des Schlossherrn Müller-Elmau, der als Geschäftsführer der Schloss Elmau GmbH & Co. KG grundsätzlich allein für diese Entscheidung zuständig sei. Obwohl vor dem Landgericht Anwaltszwang herrscht und daher nur Äußerungen der Rechtsanwälte (die Antragstellerin Schloss Elmau GmbH & Co. KG ist von gleich zwei Rechtsvertretern vertreten) zulässig sind, ergreift er mehrfach selbst das Wort und wird entsprechend wiederholt von der Richterin zurechtgewiesen.

Aufgrund der Tatsache, dass die betreffende Mitarbeiterin von allen Beteiligten wiederholt als die zuständige Person für eine Drehgenehmigung bezeichnet wurde und überdies eine schriftliche Erlaubnis vorlag, konnten die Studenten davon ausgehen, dass eine ordnungsgemäße Erlaubnis vorlag, zumindest aufgrund einer "Anscheinsvollmacht". Vermutlich um von diesem klaren Sachverhalt abzulenken, bemühen sich die Anwälte der Elmau-Seite, die Verhandlung auf andere Themen zu lenken, vor allem auf die Frage, inwieweit die Studenten im Auftrag der HFF tätig wurden und wie deutlich sie dies von Anfang an hätten klarstellen müssen.

Hier kam es nun zu Szenen, die ein wenig an das Königlich Bayerische Amtsgericht erinnerten: Die Anwälte beider Seiten lassen einander nicht ausreden, unterbrechen die Richterin, legen der Gegenseite nahe, doch einmal einen Blick in den Palandt (den wichtigsten Kommentar zum BGB) zu werfen, damit man das Thema auch juristisch diskutieren könne.

Als die Anwälte des anschließend vorgesehenen Termins zaghaft nachfragen, wann diese Verhandlung voraussichtlich beendet sein werde, wird deren Termin kurzerhand um zwei Wochen verschoben. Auch die Teilnehmer des dritten müssen sich gedulden, bis die Verhandlung endlich abgeschlossen ist.

"In der Ruhe liegt die Kraft", merkt Richterin Leitner überraschend entspannt an. Erst nach mehr als zweieinhalb Stunden und einigen Zeugeneinvernahmen, deren Höhepunkt die Befragung des amerikanischen Hoteldirektors bildet, der mit so starkem Akzent spricht, dass ihn nahezu niemand versteht, ist die Richterin zufrieden.

Beim Weg aus dem Gerichtssaal schimpft Müller-Elmau lautstark vor sich hin und meint, die Filmhochschule arbeite unseriös.

Pünktlich um 15 Uhr fällt dann die Entscheidung zugunsten der Hochschule für Fernsehen und Film: Der Antrag der Schloss Elmau GmbH & Co. KG wird abgewiesen, und der Film kann wie geplant beim Festival der Filmhochschulen seine Premiere feiern.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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