George W. Bush: offizielles Portrait:Der sieht ja aus wie ich

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Wir sind ja nicht bei armen Leuten: George W. Bush und Gattin Laura haben sich porträtieren lassen - mit Lilien der Unschuld und Rosen der Liebe. Die offiziell abgesegnete Ödnis in Öl.

Kia Vahland

Nehmen Sie Platz in der guten Stube, der Gastgeber schenkt Ihnen sein Ohr. Er erwartet Sie auf der Sofakante, im frischgebügelten himmelblauen Hemd, die Brusttaschen in Cowboyart, die Manschetten dagegen staatsmännisch anzugsfähig. Noch lächelt er etwas verkrampft, aber nach zwei Gläsern wird sich die Stimmung schon auflockern. Fühlen Sie sich wie zu Hause.

Familienzusammenführung zu Weihnachten: Der scheidende US-Präsident George W. Bush beäugt seinen Porträt-Zwilling - wohlwollend, wohlgemerkt. (Foto: Foto: ap)

Im Fond eine Kommode im Shaker-Stil, wir sind im christlichen Amerika, geprotzt wird nicht. Ehrlich und bescheiden sind Haus und Hausherr, sehen Sie die weißen Lilien in der großen Vase, glatt und eiförmig wie der Kopf des Porträtierten? Mr. President - oder ist es schon der Pensionär? - George W. Bush: ein Mann von madonnenhafter Unschuld. So, wie er die Hände verschränkt, ist es fast schon ein Gebet.

Machen wir es uns gemütlich

Machen wir es uns gemütlich und vergessen die Finanzkrise, die Hypothek auf dem eigenen Heim oder was auch immer das Herz schwer macht. Im Hintergrund lodert das Kaminfeuer, vertrauenserweckend, seit Roosevelt in den dreißiger Jahren vor dem Radio seine Fireplace-Reden an die Nation hielt. Der Esstisch bleibt leer, Staatsgäste oder andere Störenfriede sind heute nicht zu erwarten.

Der Künstler Robert Anderson orientierte sich zwar an einem Foto Bushs aus dem Amtssitz Camp David, malte seinen Studienfreund aus Yale dann aber als anständigen Privatier - zu dessen Wohlgefallen: "Es sieht aus wie ich, was ein gutes Zeichen ist", sagte Bush über sein Abbild, als jetzt der Gemäldevorhang in der National Portrait Gallery in Washington fiel. Kein Kunstverdacht also trübt diese Inszenierung, sieht man davon ab, dass die Beine farblich ein wenig mit dem Sofa verschmelzen und die Füße angeschnitten sind - in Pantoffeln wollte Anderson seinen Freund dann doch nicht zeigen.

Nun ist die Ölmalerei heutzutage nicht mehr unbedingt das Medium für Spontanität; wer sich halbwegs glaubhaft als ganz natürlich in Szene setzen will, der lässt eine Webcam laufen, wie es Obama mit seiner Familie am Wahlabend tat - unwahrscheinlich, dass Bush in Öl ähnlich verzückte Reaktionen auslösen wird wie ein Obama, der vor dem Fernseher die Beine hochlegt und mit seiner Schwiegermutter schäkert.

Doch Bush will nicht den schnellen Affekt, er will dauerhaft erinnert werden als good boy. Ein "official portrait" wird nach seiner Amtszeit ins Weiße Haus einziehen; Andersons Gemälde in der National Portrait Gallery aber versteht sich, wie das Museum betont, als "official likeness": offizielles Konterfei, offiziell anerkannte Ähnlichkeit. Dafür fanden sich schnell Geldgeber - vielleicht waren auch sie die bisherigen Selbstdarstellungen ihres Präsidenten leid.

Nicht wie bei armen Leuten

"Official likeness" spielte sich bislang im Fernsehen und auf Pressefotos ab: Der Cowboy, dessen Hut den extra entschlossenen Blick verschattete. Der Naturbursche, der sich im Unterholz seiner Ranch in Texas mit Kettensäge in Hüfthöhe fotografieren ließ. Der Kamerad, der seinen Soldaten in Bagdad zu Thanksgiving einen Truthahn servierte. Der Patriot, der am Rednerpult mit der rechten Pranke fuchtelte wie die abgebildete Freiheitsstatue hinter ihm. Und, unvergessen in seinem pathetischen Potenzgehabe, Bush als Bomberpilot, der im Jahr 2003 auf der USS Abraham Lincoln das angebliche Ende der Kämpfe im Irak verkündete - in einer an den Lenden überdeutlich geschnürten Uniformhose.

Mit viel Wohlwollen mag man bei dieser Szene an Tizians nicht eben dezentere Herrscherporträts von Kaiser Karl V. und Prinz Philipp II. denken, doch damals waren solche Beinkleider Mode. Und selbst wenn Leone Leoni ebenjenen Karl V. in Bronze goss mit einem Harnisch, den man ausziehen kann, so dass der Kaiser nackt dasteht: Den alten herrschaftlichen Körperkünstlern ging es letztlich immer um die Potenz des Kopfes und seine Souveränität. Zumindest ersetzten sie diese nicht durch martialisches Gehabe ihrer Porträtfiguren - und auch nicht durch treuherzige Blicke des ach so menschlichen Potentaten vor einem Lilienstrauß als Unschuldsbeweis.

Nicht minder harmlos als ihr Mann tritt die First Lady in der Portrait Gallery auf, gemalt von dem volkstümlichen Maler Aleksander Titovets aus Texas. Sie ist im Interieur zu sehen, wie es sich für eine Hausfrau gehört. Aber Laura sitzt offenkundig nicht im selben Zimmer wie ihr Gatte, sie darf sich in einen Brokatsessel lehnen und Kitsch und Prunk eines zweiten Golden Age zur Schau tragen: Man ist ja nicht bei armen Leuten. Im Hintergrund rote Rosen der Liebe zu Mann und Volk, auf dem Schoß ein aufgeschlagenes Buch, das die Figur nur mit den Fingerspitzen berührt - wie ein Tablett, das sie dem Gast servieren möchte. Leider sind die Seiten leer.

Im Vergleich zu der Washingtoner Langeweile ist Immendorffs goldstrahlendes Schröder-Porträt richtig aufregend. Interessant wird es erst wieder bei Obamas Abschied.

© SZ vom 23.12.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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