Geburtstag:Voller Ehrfurcht

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Aufschwung: Mariss Jansons, vor musikalischem Glück strahlend im Konzert in Taipeh auf Tournee 2016. (Foto: Peter Meisel)

Der aus Riga stammende Mariss Jansons, seit 2003 Chefdirigent beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, wird 75

Von Egbert Tholl und Rita Argauer

Ein zitternder junger Mann steht in der Garderobe der Berliner Philharmonie. Die Kamera verfolgt ihn, wie er auf den Flur hinaustritt, später steht er auf dem Podium und probt mit den Berliner Philharmonikern Beethovens Fünfte. Mariss Jansons ist sichtlich nervös und spricht mit unsicherer Stimme an das Orchester. Aber was er von den Musikern will, ist glasklar. Der Beginn der Exposition nach Beethovens wohl berühmtestem Motiv soll gleichmäßig sein. Keine Verzögerung, kein Herumlatschen auf den Noten, keine zu ausufernde Dramatik: "Tak-Tak-Tak-Tak", singt-spricht Jansons dem Orchester vor. Er ist 28 Jahre alt, als er 1971 beim Dirigierwettbewerb der Herbert-von-Karajan-Stiftung in Berlin einen zweiten Preis bekommt. Die Szene findet sich in einer Dokumentation, die das Bayerische Fernsehen nun vor Mariss Jansons 75. Geburtstag, den er an diesem Sonntag feiert, ausstrahlte. Der Wettbewerb öffnete dem 1943 in Riga geborenen Musiker die Tür nach Europa.

Knapp 50 Jahre später sieht der künftige Jubilar in der Philharmonie in München blendend aus und hat strahlend gute Laune. Alles an Mariss Jansons verströmt Freude und Souveränität. Strawinskys "Symphony in three movements" bereitet er mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dessen Chefdirigent er seit 2003 ist, so zu, als sei alles in diesem Stück selbstverständlich und bar jeder Komplexität. Das ist meisterhaft und versöhnlich gegenüber Strawinsky, aus verzerrten Ideen wird straff organisierter Jazz, rhythmisch umwerfend, treibend.

Danach steht ein sehr aufgeregter junger Mann neben Jansons auf dem Podium, Martin Angerer, Solotrompeter im Orchester, und spielt Johann Nepomuks Hummels Trompetenkonzert, ein prächtiger Solist. Nach der Pause gibt es Beethovens C-Dur-Messe, bei der einen die zarten, fragilen Momente ans Herz greifen, der Chor extrem gut disponiert ist und die Sopranistin Genia Kühmeier wie ein manchmal fast gefährdeter Engel über den Dingen schwebt. Natürlich könnte man einwenden, dass Beethoven, wie oft bei Jansons, fast ein bisschen altmodisch klingt. Aber wen kümmert das angesichts der vollendeten Schönheit, die in einem innigen Vertrauen auf Frieden endet.

Beethoven sei noch immer sein Lieblingskomponist, sagt Jansons. Als er einmal mit fünf Jahren krank zu Hause lag, habe er von seiner Mutter die Partitur von Beethovens Fünfter verlangt, um in dieser zu lesen. Eine ungewöhnliche Beschäftigung für ein Kind. Es ist jedoch auch ungewöhnlich, dass ein Künstler, der sich sein ganzes Leben mit so viel verschiedener Musik auseinandergesetzt hat, so eine eindeutige Präferenz für einen Komponisten ausspricht. Doch Jansons ist ein geradliniger Typ. Nach seinem Studium in Sankt Petersburg war er von 1979 bis 2000 Chefdirigent der Osloer Philharmoniker, seit 2003 ist er beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, von 2004 bis 2015 war er zusätzlich Chefdirigent des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters.

Konstant ist in seinem Leben das Lampenfieber, auch wenn es ihm beim Jubiläumskonzert nicht anzumerken ist. Er sei vor Proben und vor Konzerten immer noch nervös, gibt Mariss Jansons zu. Das klingt beinahe ein wenig entschuldigend, ist aber wohl ein Punkt, warum seine Dirigate bis heute diese berückend delikate Akzentuierung in sich tragen. Er begegnet der Musik noch immer mit größter Ehrfurcht, weiß aber gleichzeitig, dass sie geformt und kristallisiert werden muss, damit sie ihre volle Wirkung entfalten kann. "Tak-Tak-Tak", wie damals in Berlin. Zitternd und trotzdem voll künstlerischem Ausformungswillen.

Am Sonntag, 14. Januar, widmet BR-Klassik Mariss Jansons einen ganzen Sendetag, das Bayerische Fernsehen und 3 Sat senden Konzertmitschnitte

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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