Fragiles Zeugnisverweigerungsrecht in USA:Presse vor Gericht

Lesezeit: 1 min

Zwei Journalisten der New York Times hatten nach dem 11. September vertrauliche Pläne der Regierung publik gemacht. Nun entschied der Oberste Gerichtshof, dass sie die Gesprächsprotokolle freizugeben haben.

Hans Leyendecker

Der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, ist keine Bastion für die Verteidigung journalistischer Prinzipien: Die Richter lehnten am Montag mit nur einem Satz und ohne Begründung den Antrag der New York Times ab, dem Sonderermittler Patrick Fitzgerald die Einsicht in Gesprächsprotokolle von zwei Journalisten zu verwehren.

Die frühere New York Times-Mitarbeiterin Judith Miller und ihr Kollege Philip Shenon hatten nach dem 11. September vertrauliche Pläne der Regierung publik gemacht, im Kampf gegen den Terrorismus die Vermögenswerte von zwei islamischen Wohlfahrtsorganisationen einzufrieren. Fitzgerald müht sich seit Jahren, die Quelle der Journalisten zu ermitteln.

Der in Chicago ansässige Ermittler hatte schon im Vorjahr vor dem Obersten Gerichtshof gegen die New York Times obsiegt: Im Juni 2005 entschied der Supreme Court, die Journalistin Miller dürfe, wie Fitzgerald verlangt hatte, zur Preisgabe eines Informanten gezwungen werden. Sie hatte, wie andere Journalisten, die frühere CIA-Agentin Valerie Plame enttarnt. Wer den Namen von Agenten verbreitet, hat nach amerikanischem Recht eine Straftat begangen.

Beugehaft für Journalisten, die über Doping-Skandal berichteten

Frau Miller verbrachte 85 Tage in Beugehaft, weil sie sich weigerte, den Regierungsmitarbeiter zu verraten, der den Namen der CIA-Agentin genannt hatte. Vor ein paar Monaten stellte sich heraus, dass der ehemalige stellvertretende Außenminister Richard Armitage die Quelle für den ersten Bericht über die Identität der Agentin gewesen war.

Die neuerliche Entscheidung des Supreme Courts ist ein Beleg dafür, dass das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten in den USA fragil ist. Im September dieses Jahres sind zwei Reporter des San Francisco Chronicle, die den größten amerikanischen Doping-Skandal enthüllt hatten, zu 18 Monaten Beugehaft verurteilt worden, weil sie die Namen der Informanten nicht verraten wollten. Sie haben Revision beantragt.

In Deutschland scheint das Zeugnisverweigerungsrecht besser gesichert: So entschied das Oberlandesgericht Frankfurt im vorigen Monat, dass ein Polizeireporter des Wiesbadener Tagblatts, der über eine blutige Fehde zwischen zwei türkischen Familien berichtet hatte, ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht habe. Der Journalist dürfe nicht nur die Identität seiner Informanten für sich behalten, sondern auch die Inhalte der Gespräche mit den Informanten, entschieden die Richter.

© SZ vom 29.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: