Filmplakate:Blockbuster auf Papier

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"24x36" ist ein Dokumentarfilm über die Geschichte des Filmplakats. Die Doku berichtet von Sammlern, die bis zu einer halben Million Dollar für alte Poster ausgeben, und von den Menschen, die diese Kunstform geprägt haben.

Von David Steinitz

Eine halbe Million Dollar für ein altes Stück Papier mit lauter Knickfalten? Auf dem riesigen Markt für originale Filmposter aus der Frühgeschichte des Kinos kommen diese Summen durchaus regelmäßig vor. Besonders gefragt sind die Plakate der alten Monsterfilme aus den Universal Studios, "Frankenstein" und Kollegen erzielen regelmäßig Höchstpreise. Dass die Sammler trotz der exorbitanten Kosten praktisch immer Falten in Kauf nehmen müssen, liegt daran, dass die Filmstudios die Poster für die Kinos früher immer gleich in die Rollen mit der 35mm-Filmkopie gepackt haben, um Porto zu sparen.

Diese und andere Anekdoten aus der Welt des Filmposters als Kunstobjekt und Sammlerfetisch erzählt die Dokumentation "24x36: A Movie About Movie Posters" von Kevin Burke. Der Regisseur verneigt sich in seinem Debüt vor den großen Meistern des Genres und erzählt die Geschichte des Filmplakats als alternative Filmgeschichte, denn die Poster waren immer auch ein Spiegel der aktuellen Kinomode und Publikumsgelüste.

Schon kurz nach der Erfindung des Mediums Film im Jahr 1895 wurden Plakate als wichtigstes Werbemittel eingesetzt, die damals stark an die Poster für Varieté- und Zirkusvorstellungen angelehnt waren. Als sich nach den ersten Jahren mit Kurz- und Experimentalfilmen der Spielfilm als wichtigstes Genre im Kino durchzusetzen begann, engagierten die großen Studios in Hollywood bereits Dutzende Mitarbeiter, die sich nur um die Gestaltung des Plakats kümmerten. Die Namen dieser Künstler sind meistens nicht überliefert, weil sie ihre Auftragsarbeiten nicht signieren durften, obwohl es sich teilweise um wirklich beeindruckende Zeichnungen handelte. Oder wie es der Regisseur und Posterfan Joe Dante in der Dokumentation zusammenfasst: "Früher waren die Poster oft besser und aufregender als die Filme, die sie bewerben sollten."

Die große Zeit der Plakatgestalter, in der sie auch namentlich präsent waren, begann erst in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren. Die Filme wurden aufwendiger, die Plakate fotorealistischer, sie waren aber immer noch vor allem gezeichnete Kollagen und keine Zusammenstellung aus Filmstills. Besonders prägend waren die Arbeiten von Bob Peak ("Apocalypse Now"), John Alvin ("E. T.", "Blade Runner") und Roger Kastel ("Der weiße Hai"). Diese Männer klatschten nicht nur ein paar Star-Namen und Köpfe nebeneinander, sondern rissen auf ihren Postern auch die Geschichte und den Grundton eines Films an. In dieser frühen Ära des Blockbusters war es auch üblich, dass sie lange Stunden gemeinsam mit den Regisseuren über ihren Entwürfen brüteten. Denn auch Francis Ford Coppola, Steven Spielberg und Ridley Scott war daran gelegen, dass ihr Poster-Artwork als eigenständiges, in sich geschlossenes Kunstwerk funktioniert. Ein Ansatz, der spätestens in den Neunzigerjahren komplett verloren ging.

Das lag zum einen daran, dass die Hollywood-Studios vor allem auf die Star-Power ihrer Filme vertrauten, auf Julia Roberts und Tom Cruise und Bruce Willis, und weniger auf die Geschichte eines Films. Folglich waren die Poster vor allem mit großen Namen und großen Star-Köpfen darunter geziert, bei Frauen kam gerne auch noch der Ausschnitt mit ins Bild.

Zum anderen hatte sich das Werkzeug der Postermacher durch die Digitalisierung grundlegend verändert. Bildbearbeitungsprogramme vereinfachten die Arbeit und ermöglichten beliebig viele Variationen mit Fotos aus dem Film, die klassische Zeichnung hatte ausgedient. Legt man heute Poster aus verschiedenen Genres nebeneinander, sehen die Star-Kopfanordnungen aber trotzdem fast alle gleich aus.

Weil Poster als Marketingmittel nicht mehr so wichtig sind und in Briefmarkengröße bei Netflix und iTunes ohnehin kaum noch zu erkennen sind, investieren die Produzenten weniger Geld und Talent in ihre Herstellung. Aber, und das ist der lustigste Teil dieser Dokumentation, es bildet sich gerade ein veritabler Nerdklub in den USA, der sich darauf spezialisiert, fade aktuelle Poster kunstvoll im Retrostil nachzugestalten.

24x36: A Movie About Movie Posters ist als DVD und Blu-Ray sowie als Video on Demand erschienen, weitere Infos unter www.24x36movie.com.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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