Filmkritik:Michel Gondry: Eine Anleitung zum Träumen

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Träume - laut Freud kann man sie analysieren und nutzbar machen. Schwierig nur, wenn man Traum - und Wachzustand erst gehörig vermischt, und dann den Wust wieder aufdröseln will. Michel Gondrys neuer Kinofilm "A Science of Sleep" findet die passende Bildsprache dafür.

Franziska Schwarz

"Beliebige Gedanken, ein wenig Nachklang vom Tag, und ein paar Erinnerungen" wirft Stephane (Gael Garcia Bernal) mit ernster Miene in den Kochtopf, rührt bis blauer Rauch aufsteigt, und warnt den Kinozuschauer: "Okay...ich glaub´das wird einer. Da kommt er schon, ja...ja. Okay...jetzt muss es schnell gehen. Ich spreche leise, damit ich mich nicht aufwecke."

In seinen Träumen zumindest zieht Stephane die Fäden (Foto: Foto: Prokino)

Das ist der Einstieg in Michel Gondrys dritten Kinofilm "The Science Of Sleep": Hauptdarsteller Stephane mischt sich seinen nächsten Traum zusammen. Es scheint, als wüßte er, was er täte - dieser Eindruck stellt sich aber schnell als komplett falsch heraus.

Gerade eben in Paris angekommen, stellt der Zeichner fest, dass sein neuer vermeintlich kreativer Job unglaublich eintönig ist: Schriftsetzer in einem Copy-Shop, umgeben von neurotischen Kollegen.

Frustriert träumt der phantasievolle Stephane vor sich hin. Diese Traumsequenzen beginnen stets mit einer TV-Show, die Stephane selbst moderiert. Hier bekommt er die ersehnte Anerkennung, kann sich gegen seinen Chef durchsetzen, seine Gedanken verarbeiten und sich weit weniger linkisch anstellen, als im wahren Leben. Dort droht dem verbummelten Stephane schon bald die Kündigung.

Alter Ego des Regisseurs

Die Figur des Stephane sei so etwas wie sein Alter Ego, sagt Gondry. Der studierte Werbegrafiker hat unzählige Werbespots und Musikvideos gedreht, unter anderem für Levis, Björk, Daft Punk, die Rolling Stones und Kylie Minogue.

Schon in seinem letzten Kinofilm "Vergiss mein nicht" kämpfte der Protagonist aus dem Traum heraus. Die Idee zu "Anleitung zum Träumen" sei ihm durch ein Musikvideo der Band Foo Fighters gekommen: hier agieren zwei Liebende jeweils im Traum des anderen. Genau das ist diesmal Gondrys Thema.

Denn durch Stephanes Träume geistert vor allem Stephanie (Charlotte Gainsbourg), die in der Nachbarwohnung lebt. Da er jedoch stets um drei Ecken denkt, ist die Angebetete von Stephanes Verhalten bald befremdet. So schiebt er einmal traumwandelnd eine Notiz unter ihrer Wohnungstür hindurch - als er aufwacht, fischt er sie mit einem Kleiderbügel erschrocken wieder hervor. Blöd nur, dass sie den Zettel da schon gelesen hat.

Analog zusammengeleimte Traumwelten

Verschwommene Wahrnehmung, Dämmerzustand und Traumerscheinungen übersetzt Gondry in fesselnde Bilder. Mittels Stop-Motion-Technik haucht er einfachen Materialen Leben ein: galoppierende Filz-Pferde, Zellophan-Schnipsel-Wasser, Watte-Wolken, Menschen in Katzen - und Bärenkostümen.

Gondrys Inszenierung ist so charmant, weil sie sichtbare Bastelei ist - eine Abwechslung zu geschliffenen digitalen Effekten, die man genauso gut hätte verwenden können. Das Unbewusste des kindlichen Stephane illustrieren die krude zusammengeleimten Bilder viel überzeugender. Fährt der Junge, dessen Verletzlichkeit Gael Garcia Bernal glaubhaft mimt, im Traum irgendwohin, so in einem rudimentären Wellblech-Auto, fliegt er über eine Stadt, dann schwankt die Papp-Skyline von links nach rechts. Sein widerspenstiger Elektrorasierer krabbelt ihm als surrende Spinne das Hosenbein hoch.

Mit der Zeit vermischt Gondry die beiden Ebenen, Wirklichkeit und Traum, fast ununterscheidbar, und die Frage, ob Stephane sich wieder unter Kontrolle bekommt, bleibt bis zum Schluss ungewiss.

Mit "Science of Sleep" taucht Michel Gondry erneut in das Unbewusste ein und findet dafür höchst eigenwillige und witzige Bilder - es ist ein Spaß, sich darauf einzulassen.

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