Festival:Mit Gefühl

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Das "Rodeo"-Festival beginnt in einer entspannten Wellness-Blase

Von Egbert Tholl, München

Kulturreferent Hans-Georg Küppers trifft das Wesen der Veranstaltung bei seiner Eröffnungsrede sehr gut. In dieser, der Rede, empfiehlt er, sich auf dem Festival einfach treiben zu lassen; es sei keine Entdeckungsplattform, sondern wolle die Künstler zusammenführen. Da fragt man sich unwillkürlich, was man als normaler Zuschauer dabei soll, also mit wem man sich als Nichtkünstler zusammenführen lassen sollte, aber im Endeffekt fühlt es sich dann doch einfach nur schön an. Das Zusammenführen.

Davor gibt es Herumführen. Noch vor Küppers Rede. Stefan Dreher erkundet das Gelände des Schweren Reiters und nimmt die Zuschauer dabei mit. Man kriegt einen Kopfhörer aufgesetzt, welcher auch als Ohrwärmer seinen Dienst tut, ein Wägelchen mit Technik geht voran, und ein tapferes Häuflein folgt. Ins Ohr flüstert eine Stimme auf Englisch eine fabelhaft langweilige Geschichte über einen Vater, der nicht schreiben kann und morgens mit dem Hund rausgeht. Dann kommt man zu verschiedenen Stationen, vorbei ein einem Schild, das "Neue Wege in der Bienenhaltung" verspricht, eine Dame tanzt in einem Kellereingang und Dreher selbst schreitet zur Tat der Bewegung, ganz seinem Habitus als München bestes Mick-Jagger-Lookalike entsprechend.

Den eigenen Kopf füllt das wie stets faszinierende Sounddesign von Christoph Reiserer; wenig später hört man in selbigen, also dem eigenen Kopf, den Hinweis, mann solle mehr auf seinen Körper als auf seinen Kopf hören, was in dieser feuchtkalten Herbstnacht eine ambivalente Empfehlung ist. Der Spaziergang heißt "Dancehouse, literally" und meint ein Tanzhaus an der frischen Luft, wo Kraniche Yoga-Übungen machen und eine gewisse Fühli-Fühli-Freundlichkeit vorhanden ist. Dann geht es zurück ins Warme, ins Schwere Reiter, dort wartet Manuela Hartel. Während Drehers Unternehmung im Rahmen des "Bloom up"-Programms entstanden ist - bei vier Münchner Theatermachern waren internationale Gleichgesinnte zu Gast und erfanden etwas eigens für "Rodeo" -, zeigte Hartel ihre technisch beeindruckende Video-Körperarbeit "Set Fire to Flames" bereits beim "Frauenkongress" der Staatsoper im Juni 2015. Hartel ist selbst Chor der Stimmen im Chor der Bilder, es flirrt etwas Religiöses herum und die Rezeption bleibt im Zustand des Fluidums, seltsam ungreifbar.

Danach gibt es eine kulturpolitische Zuckung: Via Skype spricht der lebendige Theatermacher Alexander Karschnia mit einem erfundenen Toten, der als Figur im Import-Export steht und einst wichtig war für die freie Kunstszene an der österreichisch-ungarischen Grenze. Unter sorgfältiger Vermeidung jeglicher geistreicher Äußerung nähert sich Karschnia im Gespräch dem möglichen Thema der Unterschiede zwischen freiem und Stadt-Theater, aber die wichtigste Erkenntnis ist die Party danach.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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