Festival:Lustige Hupen, lange Reden

Lesezeit: 2 min

Die Eröffnung der Europäischen Wochen Passau: musikalische Überraschungen und eine "unstadthafte" Geschichtsexegese

Von Sabine reithmaier, Passau

Heiter war es, wunderbar schräg und sehr passend zum Anlass: Moritz Eggerts "Hupkonzert" war der gelungenste Moment während der Eröffnung der Europäischen Wochen (EW) Passau, die sich heuer dem 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung widmen. Als sich der Komponist vor den Residenzbrunnen stellte und begann, die Hupen der 16 Trabi-Fahrer zu dirigieren, war für ein paar Minuten jene spontane Freude zu spüren, die die Deutschen während des Mauerfalls zumindest kurzzeitig vereint hatte.

Die 16 Trabi-Oldtimer hatten sich im Halbkreis formiert, so richtig orchestermäßig. Ihre Lenker starrten auf die Partituren, um nur ja keinen Einsatz zu verpassen. Eggert dirigierte nicht nur mit Stab, sondern agierte mit Lachgesicht- oder Käferschildern, griff zum Schluss zum Megafon und skandierte "Wir sind das Volk", was die Hupen rhythmisch aufnahmen. Die ersten zwei Sätze der "Symphonie 3.0 für sechs oder mehr Schiffshörner, Autohupen oder Fußballhupen" waren bereits 2002 uraufgeführt worden. Aber für Passau hatte der experimentierfreudige Eggert das witzige Werk um den dritten Satz "Wall" erweitert.

Während dieses Konzert dramaturgisch perfekt ablief, auch keine Sekunde zu lang dauerte, hätten dem Festakt am Nachmittag Kürzungen gut getan. Zumindest gefühlt gab es im Rathaussaal keinen einzigen Menschen mehr, den Festspielvereinsvorsitzende Rosemarie Weber in ihrer Rede nicht namentlich begrüßt hätte. Sicher ist, dass jeder der acht Redner unbarmherzig das Motto der EW "über Brücken überbrücken" strapazierte, seinen Assoziationen zu eben diesen Bauwerken freien Lauf ließ und damit - je nach politischem Hintergrund - eine Analyse des politischen Zustands Europas verband. Nicht, dass die Redner nicht auch Interessantes zu sagen hatten, aber es war zu viel und zu lang.

Das Publikum hing jedenfalls, als die eigentliche Festrednerin, die Sängerin Katja Ebstein, die Bühne betrat, schon ziemlich erschöpft auf den Stühlen und ließ sich durch ihren amüsanten musikalischen Streifzug durch die Geschichte Deutschlands nur schwach wiederbeleben. Am Beispiel ihrer eigenen Biografie und ihrer persönlichen Erfahrungen arbeitete die Berlinerin die Wiedervereinigung auf, was nicht ohne moralische Appelle an ihr Publikum abging. Stumm blieb es, als sie Willy Brandts Ostverträge und Egon Bahrs Verhandlungsgeschick rühmte und die beiden als die Baumeister der Wiedervereinigung bezeichnete. Weil auch niemand reagierte, als sie Letztere als das wichtigste historische Ereignis seit Kriegsende und als dauerhaften Grund zur Freude bezeichnete, bescheinigte sie dem Publikum, sehr "verhalten" zu sein. Das war liebenswürdig ausgedrückt angesichts der stummen Honoratiorenfront, die die Sängerin mit unbewegter Miene auflaufen ließ und sie für ein paar Momente aus dem Konzept brachte.

So gesehen war das Festkonzert in der Studienkirche eine Erholung. Die Zuhörer durften vorab zwischen Brahms zweiter und Dvořáks siebter Sinfonie wählen. 70 Prozent hatten für das Werk des tschechischen Komponisten votiert, dessen Aufführung der Philharmonie Pilsen unter der Leitung Caspar Richters trotz der problematischen Akustik der Kirche enormen Spaß bereitete.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: