Festival:Großes wagen in Vagen

Lesezeit: 2 min

Durfte nie der sein, der er sein wollte: Hans Schuler in High Heels. (Foto: M. Braun)

Drei Schulfreunde bringen moderne Kunst in einen Heustadl

Von Christiane Lutz, Vagen

Wenn sich Schulfreunde im Sommer in ihrem Heimatdorf treffen, hängen sie einen Abend lang in ihrer alten Stammkneipe herum und erzählen sich von früher, bevor sie wieder abreisen. Wenn sich Manuel Braun, Andreas Zißler und Jakob Gilg im Sommer in Vagen bei Bruckmühl treffen, dann machen sie vier Wochen lang Kunst. Der Ort: ein alter Stadl am Dorfrand. Das Programm: ein Theaterstück und eine Ausstellung. Vor ein paar Jahren gründete Manuel Braun den Kunst Kulturraum Verein Vagen. Er ist Regisseur und Videokünstler, inszeniert am Staatstheater Karlsruhe und dem Münchner Volkstheater. 2011 organisierten die drei Freunde eine Fotoausstellung in einer Vagener Gärtnerei. Vor zwei Jahren inszenierte Braun "Philemon und Baukis" mit den Profi-schauspielern Hans Schuler, der ebenfalls in Vagen lebt und Sara Victoria Sukarie.

Dieses Jahr sind Jakob Gilg, Kunststudent und Maler, und Andreas Zißler, Architekt, wieder richtig dabei. "Vagenale" nennen sie ihr kleines Kulturfestival, und "V8". V8 in Anspielung auf einen uralten V8-Motor, der das Zentrum der Kunstausstellung im Obergeschoss des Stadls bildet - sofern man bei einer Scheune von einem Obergeschoss sprechen kann. "Den Motor hatte hier einer der Nachbarn einfach rumstehen lassen", sagt Braun. Ein Bekannter kam mit dem Gabelstapler und hievte das Ding in den ersten Stock. Stück für Stück richten die Freunde die Scheune über die Jahre her. Reparierten Löcher im Dach, zogen Balken ein, entfernten "jede Menge Glump und Graffel".

Die Ausstellung umfasst acht Arbeiten von Kunststudenten, die sich im weitesten Sinn mit Maschinen und Menschen beschäftigen. Fotograf Philipp Benkert zeigt drei riesige Makro-Aufnahmen der Oberfläche von Leitz-Ordnern. Eine chaotische Kraterlandschaft - wo doch der Ordner das Symbol deutscher Pedanterie schlechthin darstellt. Von Andreas Zißner ist eine Popcornmaschine dabei, die beim Ploppen glockenartige Klänge über einen Synthesizer auslöst. Zur Eröffnung der Vagenale wird außerdem das Münchner Faschingsprinzenpaar tanzen und eine Schamanin ein Ritual vollziehen. Diese "kunstfremden Aktionen", wie Jakob Gilg sie nennt, dienen dazu, "der Realität eines Dorfes wie Vagen nahe zu kommen. Die wollen wir mit einbeziehen, weil sie eben auch da ist."

Weil es schwierig war, für den Stadl ein geeignetes Stück zu finden, hat sich Manuel Braun einfach selbst eins ausgedacht und dieses "dem Stadl und den Schauspielern auf den Leib geschrieben". "Der überflüssige Mensch" erzählt die Begegnung zwischen einem Mann (Hans Schuler) und einer Frau (Sara Victoria Sukarie) in einer Dorfwirtschaft. Sie, arbeitslos, denkt über Selbstmord nach, er leidet unter unterdrückten Neigungen. Sie finden und klammern sich aneinander, bis Regisseur Braun die naturalistische Inszenierung aufbricht und ein bisschen Pollesch-haften, wilden Theater-Diskurs mit auf die Bühne bringt. Warum auch nicht.

Die drei Künstler kehren immer wieder nach Vagen zurück, weil es viel zu einfach ist, seine Heimat hinter sich zu lassen, um in der Großstadt Kunst zu machen. Weil das auf Dauer langweilig ist. Und sie machen das, weil die Vagener die Möglichkeit haben sollen, Dinge zu sehen, für die sie sonst nach München fahren müssten. An dieser Haltung ist nichts überheblich. Es geht nicht um ein "Wir erklären euch mal, wie es richtig geht", sondern darum, den Menschen in ihrer Heimat zu zeigen, wie Kunst auch sein kann.

V8 - Vagenale , Eröffnung am Fr., 29. Juli, Vagen, Landkreis Rosenheim, www.kunst-kulturraum.de

© SZ vom 29.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: