Festival:Da ist noch Luft drin

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Morgenstimmung in Nürnberg - und im Mittelpunkt die Silhouette der gotischen Lorenzkirche mit ihren drei Orgeln. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Internationale Orgelwoche Nürnberg widmet sich in ihrer 65. Ausgabe der "Zukunft" und präsentiert weit mehr als herkömmliche Konzerte mit dem größten aller Instrumente

Von Egbert Tholl

Folkert Uhde blickt auf die Spree. Sagt er. Man sieht es leider nicht, weil er ja nur am Telefon ist. Uhde ist Begründer und einer der drei Leiter des Radial Systems in Berlin, einem experimentellen Aufführungsort für Musik. Doch seit 2013 kümmert er sich auch noch um ein Instrument, das eher unter der Last der Jahrhunderte schnauft, denn als Symbol fürs Experiment zu gelten. Uhde ist nun zum vierten Mal künstlerischer Leiter der Internationalen Orgelwoche in Nürnberg (ION), die in diesem Jahr, in ihrer 65. Ausgabe, den Titel "Zukunft" trägt.

Nun, die Orgelwoche beginnt am 3. Juni mit einer Aufführung von Bachs h-Moll-Messe in der gotischen Lorenzkirche, es singen und spielen das Concerto Köln, der Chor des Bayerischen Rundfunks und ein Quartett erlesener Solisten unter der Leitung von Peter Dijkstra. Klingt erst einmal toll, aber nicht unbedingt nach Zukunft. Doch Uhde und der Lichtdesigner Jörg Bittner wollen das Konzert in eine Rauminstallation verwandeln, die die Inhalte und Deutungsebenen von Bachs Werk widerspiegelt.

Die Stiftung Musica Sacra, die die ION veranstaltet, stand, so Uhde, vor Jahren vor der Entscheidung, entweder das Festival langsam auslaufen zu lassen oder einen Neuanfang zu wagen. Man entschied sich für die zweite Lösung und holte Fokert Uhde. So kam der zum ersten Mal nach Nürnberg - und war sofort begeistert von den Kirchen dort, vor allem von Sankt Lorenz mit ihren drei Orgeln, angebracht weit oben im Kirchenraum. Eigentlich, meint er, habe er bis dahin nicht viel mit Orgeln zu tun gehabt. Gleichwohl stammt er aus Norddeutschland und habe dort in einer protestantischen Kirchenkantorei seit seinem zehnten Lebensjahr "jeden zweiten Gottesdienst musikalisch mitgestaltend" verbracht, kenne Schütz und Bach auswendig, Regers und Mendelssohns Orgelwerk auch, könne aber selbst nicht Orgel spielen, sondern nur hören und sich Gedanken dazu machen.

Zu diesen Gedanken gehört das Wundern darüber, dass klassische Musiker seltener improvisieren als in vergangenen Jahrhunderten. Die meisten Geiger etwa borgten sich die Kadenzen von verstorbenen Kollegen, für die Organisten indes richtet Uhde einen Wettbewerb aus. Ein Aspekt. Ein anderer ist seine kunstwerdende Liebe zu den Räumen: Auch in St. Lorenz wird Chiharu Shiota, die bei der jüngsten Biennale in Venedig den japanischen Pavillon bespielte, eine wie ein Organismus funktionierende Installation errichten, für die der Palästinensische Komponist Samir Odeh-Tamimi eigenes ein neues Stück schrieb (10. Juni).

Internationale Orgelwoche Nürnberg, 3. bis 12. Juni, in diversen Kirchen und der Meistersingerhalle, www.ion-musica-sacra.de

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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