Fernsehkritik: "Flavor of Love" auf MTV:Zickenterror als Programm

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Der "Black-chelor": Flavor Flav, Frontmann der Hip-Hop-Band Public Enemy, sucht im Fernsehen unter zwanzig Frauen die große Liebe: Kamera-Eitelkeit und Geldgier entfachen eine spektakuläre Schlammschlacht.

Michaela Förster

Zwanzig junge Frauen in einer Villa und dazwischen ein ausgemergelter, jedoch äußerst wohlhabender Ex-Rapstar in den späten Vierzigern, der versucht, durch massiven Einsatz seines Tastsinnes und messerscharfer Intuition (die es zum Wunder macht, dass er morgens seine eigenen Füße findet) seine Herzensdame herauszufühlen: Mit der Reality-Show "Flavor of Love" stößt der Musiksender MTV die Tür zu einer ganz neuen Dimension der Geschmacklosigkeit auf - dafür sorgt schon das Konzept: Da in jeder der elf Folgen mindestens eine Lady rausgeworfen wird und der Gewinnerin eine Hochzeit mit Millionen von Dollar winkt, ist der Körpereinsatz enorm und Zickenterror vorprogrammiert.

Weder in ihrem Herkunftsland Amerika, noch in Deutschland ist die Idee der Show neu, trotzdem erfreute sich "Flavor of Love" in den USA beim Publikum größter Beliebtheit. Die Konstellation, ein Rudel heiratswilliger Singlefrauen auf einen millionenschweren Mann zu hetzen, ist branchenüblich geklaut. Protagonist und Objekt der Begierde, der Frontmann der Band Public Enemy und Oldschoolrapper, Flavor Flav, bezeichnet sich selbst in Anlehnung an die TV-Reality-Show "The Bachelor" als "Black-chelor".

Demütige mich!

Doch im Gegensatz zum blendend aussehenden und traumhaft smarten "Bachelor" ist der "Black-chelor" nicht mehr ganz taufrisch: Nachdem Flavor Flav den Zenit seines Erfolgs bereits Ende der 1980er erreicht hatte, haben die Zeit und der Drogenkonsum tiefe Spuren hinterlassen. Zurück geblieben ist ein kleines Männlein mit massiven Wortfindungsschwierigkeiten, die seinen starken Slang noch extraterrestrischer anmuten lassen.

Selbst sein Kleidungsstil wirkt nicht mehr exzentrisch-cool, sondern ruft eher nach einer helfenden Hand morgens beim Ankleiden. Die modischen Verirrungen, vom pinken Frack bis hin zum imposanten Vikingerhelm auf dem Kopf, werden stets gekrönt vom Markenzeichen des Super-Pimps: Einer überdimensionalen Uhr, die an einer Kette um seinen dürren Hals baumelt und unter deren Gewicht er, allen Gesetzen der Physik zum Trotz, nicht zusammen bricht.

Durch die skurrile Erscheinung, an die das zu heiratende Vermögen gekoppelt ist, schwingt sich die Show samt ihrer unberechenbaren Kandidatinnen, die schon an sich ein wunderbares Forschungsfeld für die Psychopathologie darstellen, auf eine ganz besondere Ebene der Wahnwitzigkeit. Kamera-Eitelkeit und Geldgier entfachen zwischen den in Herkunft und Statur völlig verschiedenen Rivalinnen einen spektakulären Zickenkrieg, inklusive nicht-jugendfreier Wortgefechte, Handgreiflichkeiten und Spuckattacken. Die Kontrahentinnen sind schlichtweg außer Kontrolle und bereit, jede Demütigung zu ertragen.

Wem das Stündlein geschlagen hat

Den sexistischen und herablassenden Akt des Ersetzens ihrer bürgerlichen Namen durch eindeutig zweideutige Spitznamen wie Cherry, Peaches oder Hottie gleich zu Beginn der Show nehmen die Ladys dümmlich lächelnd hin. Aufgaben wie das feuchtfröhliche Zehn-Minuten-Date im Whirlpool oder Kirchenbesuch und Teestunde mit der Schwiegermutter in spe schrecken die Damen nicht, selbst vor den körperkontaktintensiven Tast-Riech-Schleck-Spielchen mit Flavor Flav schrecken sie nicht zurück.

Mit zusammengebissenen Zähnen überstehen sie selbst den gefürchteten Lügendetektortest mit Flavs bissiger großer Ex-Liebe, dem Model Brigitte Nielsen. Die Romanze des ungleichen Paars wurde zuvor in der Show "Strange Love" für die Nachwelt festgehalten.

Flavor Flav ist ein Wiederholungstäter. Er kann es nicht lassen, sich mit peinlichen Fernsehauftritten ein kleines Taschengeld zur Rapstar-Rente dazu zu verdienen. So viel steht fest: Nach "Flavor of Love" ist noch lange nicht Schluss. Weil Hoopz, die schließlich Erwählte, es sich dann doch anders überlegte oder weil das Business nun einmal in Schwung ist, gibt es eine zweite Staffel, die in den USA bereits ausgestrahlt wurde und jetzt ins deutsche Fernsehen kommt.

Kandidatin New York, in der ersten Staffel gescheitert, macht noch einmal mit, sie kann einfach nicht genug kriegen: Weibliche Selbstdemütigung kennt wohl keine Rundenbeschränkung. Und die Umhängeuhr, die so groß ist, dass Flavor Flav ablesen könnte, wann sein Stündlein geschlagen, muss erst noch erfunden werden.

"Flavor of Love", MTV, 1. Staffel, Mo-Fr 18:00 Uhr; 2. Staffel ab Freitag, 24.8., 21 Uhr

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