Feindbild Islam:News gegen die Minderheit

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Islamfeindschaft ist eine Sache, in der die Medien exzellieren, Staat und Politik halten sich da zurück. Eine Berliner Tagung zum Thema "Feindbild Muslim - Feindbild Jude".

S. Speicher

Ein kurzer Blick auf die Homepage von "Politically Incorrect" ("News gegen den Mainstream - Proamerikanisch - Proisraelisch - Gegen die Islamisierung Europas - Für Grundgesetz und Menschenrechte"): Am Dienstag, 9. 12. 2008, 13 Uhr, berichtet die Spitzenmeldung von der Auseinandersetzung eines muslimischen Metzgers in Hessen um das Recht, Schafe und Rinder zu schächten.

Hetze auch in Frankreich: Schon zum dritten Mal in zwei Jahren wurden am Dienstag Gräber muslimischer Kriegsveteranen auf dem Friedhof Notre-Dame-de-Lorette in Ablain-Saint-Nazaire mit Hakenkreuzen und anti-islamischen Slogans beschmutzt. (Foto: Foto: afp)

Das Bundesverfassungsgericht hat 2002 muslimischen Metzgern das Schächten gestattet und dies auf die Religionsfreiheit gestützt, dabei aber Bedingungen formuliert. Besagter Metzger hatte nun von seiner Kreisverwaltung eine Genehmigung für die Schächtung von insgesamt 700 Tieren erhalten, dies aber reichte ihm nicht. Er setzte sich, wie die Lokalpresse berichtet, darüber hinweg und zwar, wie "Politically Incorrect" ergänzend schreibt, "in Moslem-typischer Anmaßung". Das Boshafte der Verallgemeinerung liegt auf der Hand, besonders schön, dass die Seite, die sich stolz "proisraelisch" nennt, einen Gemeinplatz des Antisemitismus nutzt. Das angeblich grausame Schächten fuhr schon der NS-Propagandafilm "Der ewige Jude" (1940) als ein Paradestück auf.

Ein Zufall ist diese Parallele nicht. Auf einer kleinen Tagung "Feindbild Muslim - Feindbild Jude" des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung berichtete Yasemin Shooman über Islamfeindlichkeit im Internet, wobei sie sich vor allem auf "Politically Incorrect" bezog.

Was deren Islamfeindlichkeit vom üblichen Rassismus unterscheidet und - allem "Nie wieder" zum Trotz - in die Nähe des Antisemitismus rückt, das ist die Unterstellung einer großen Verschwörung zur Übernahme der Weltherrschaft.

Vornehmstes Mittel soll die Technik der Täuschung sein, der "Takiya", womit der Koran den Muslimen empfehle, im Interesse des Islams Ungläubige zu betrügen. (Tatsächlich bezeichnet Takiya die Nachsicht Allahs mit jenen Gläubigen, die unter Lebensgefahr den Glauben verleugneten.) Das ist recht genau das, was man auch dem "Talmud-Juden" in seiner Verschlagenheit vorwarf und überhaupt dem mosaischen Glauben: nicht universell zu sein, sondern allein den Vorteil der eigene Leute zu fördern.

Das alles wird von "Politically Incorrect" nicht ohne Erfolg unter die Leute gebracht. Um die 20 000 Besucher täglich soll die Seite haben; ihre Anhänger machen sich mit den dort aufgesaugten Ansichten dann in anderen Blogs breit.

Antisemitismus gibt es allerdings auch unter Muslimen. Die Ideologie ist zwar im Westen ausgebrütet worden, hat aber längst auch im Islam ihre Anhänger. Eigene Diskriminierungserfahrungen, so die Ergebnisse von Juliane Wetzel, führen zu einer Solidarisierung mit den Palästinensern; persönliche Erfahrungen im Nahostkonflikt sind keine Voraussetzung.

Für die Entwicklung einer westlichen Islamfeindschaft oder Islamophobie - große begriffliche Anstrengungen unternahm die Konferenz eingestandenermaßen nicht - war für Europa weniger der 11. September 2001 entscheidend als der Mord an Theo van Gogh 2004. Mit diesem Ereignis wurde der Islam als Problem wahrgenommen, nicht allein mehr von der Rechten.

Im Widerstand gegen Moscheebauten engagierte sich auch ein Mann wie Ralph Giordano; in einem Interview in der FAZ konnte 2006 Alice Schwarzer das Kopftuch muslimischer Frauen mit dem Gelben Stern vergleichen. Islamfeindschaft ist eine Sache, in der die Medien exzellieren, Staat und Politik halten sich da zurück.

Die Konferenz "Feindbild Muslim - Feindbild Jude" war im Vorhinein angegriffen worden: Wer Antiislamismus und Antisemitismus zusammenbringe, der verharmlose die Verbrechen an den Juden. Es war eine scharfe, aber dünne Kritik; die Jüdische Gemeinde Berlin distanzierte sich unverzüglich.

Vergleichen lässt sich alles, was in mindestens einer Hinsicht gleich und in mindestens einer anderen Hinsicht ungleich ist. Antiislamismus und Antisemitismus sind Formen des Ressentiments gegen Minderheiten, in der Angst vor Überfremdung und Überwältigung haben sie manches gemeinsam.

© SZ vom 10.12.2008/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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