Fahri Yardim:"Ich kenne das Kartonleben"

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Der Schauspieler kommt aus Hamburg. Bei den Dreharbeiten zum Kinofilm "Whatever Happens" lernte er München kennen. Sein Urteil: Die Stadt habe es ihm schwer gemacht, sie doof zu finden

Interview von Josef Grübl

Die Wohnungsnot treibt seltsame Blüten, in "Whatever Happens" geht es so weit, dass sich zwei Unbekannte spontan als Paar ausgeben, um eine Altbauwohnung im Herzen Münchens zu ergattern. Natürlich verlieben sie sich, der Film zeigt aber auch ihre Trennung Jahre später. Der Hauptdarsteller Fahri Yardim wuchs als Sohn türkischer Eltern in Hamburg auf, spielte Theater und wurde als "Tatort"-Kumpel von Til Schweiger berühmt. Für seinen neuen Film, der im Sommer auf dem Filmfest Premiere hatte und am Donnerstag in den Kinos startet, wurde er zum Teilzeit-Münchner: Gedreht wurde im Stadtgebiet und in den Bavaria Studios. In den Drehpausen machte sich der 37-Jährige auf die Suche nach der Münchner Subkultur.

SZ: Herr Yardim, Sie sind ein Hamburger Jung, wie hat es Ihnen in München gefallen?

Fahri Yardim: Gut. In Hamburg wird man zwar nicht unbedingt mit einer Liebe zu München groß gezogen, die Stadt hat es mir aber schwer gemacht, sie doof zu finden. Die Menschen waren immer äußerst freundlich zu mir, mich hat eine laute, gesellige Warmherzigkeit empfangen - da konnte ich gar nicht anders, als zurückzulieben. Was ich an München eher unangenehm finde, ist der überpräsente Gelddruck. Hier dreht sich zu viel ums Finanzielle, das hat eine hässliche Dynamik, die Leute identifizieren sich zu stark damit. Zum Glück habe ich aber auch die Anderen getroffen - die langhaarigen Münchner, die Musiker und Gauner.

Ja, selbst in München gibt es eine Subkultur.

Genau. Sie scheint zwar nicht so sichtbar und selbstverständlich wie in anderen Städten, dafür aber umso launischer. Das mag ich. Während des Drehs habe ich im Bahnhofsviertel gewohnt, diese Ecke hätte ich nicht unbedingt mit München in Verbindung gebracht. Dort lebt die gemütliche Schmuddeligkeit. Wenn ich einmal nach München ziehen sollte, wäre das mein Kiez.

Das sagen Sie jetzt besser nicht so laut, sonst wird die Gegend noch zum In-Viertel und mit Luxus-Appartements überzogen.

Und dann würden die hübschen Originale, die jetzt dort sind, weg gentrifiziert. Statt ihnen kommen die Yuppies, zu denen ich selbst vielleicht auch schon gehöre. Bisher schien mir das Bahnhofsviertel aber immun gegen destruktive Trends. Das Glockenbachviertel zum Beispiel finde ich dagegen sehr öde.

Haben Sie Besichtigungstermine wie im Film auch selbst erlebt?

Nein, aber ich kenne das Kartonleben und die Wohnungssuche, ich bin in meinem Leben 18 Mal umgezogen. Das waren lange Zeit WGs - daher weiß ich, wie unangenehm es ist, wenn acht Leute zum Besichtigungstermin eingeladen werden. Ein sehr grundbedürftiges Casting! Die Introvertierten haben da leider keine Chance, man muss bei solchen Runden ja irgendwie auf sich aufmerksam machen. Da schwebt ein ätzender Opportunismus im Raum. Ich selbst hatte in der Bewerbungsphase immer Glück, mit meiner schrillen Art konnte ich punkten, und natürlich mit gespieltem Charme. Die dreckigen Wahrheiten kamen erst im Alltag (lacht).

Stress am Silvesterabend: Fahri Yardim muss in "Whatever Happens" am letzten Tag des Jahres die Wohnung ausräumen, renovieren und bei einer Hochzeitsfeier erscheinen. (Foto: Universum Film)

Oft geben Sie die lässigen, quirligen Typen, in "Whatever Happens" zeigen Sie sich von einer sanfteren Seite. War das der Reiz an der Rolle?

In gewisser Weise schon. Der Regisseur Niels Laupert hat in meinen sonst eher exzentrischer angelegten Rollen ein leises Moment entdeckt, dem er mehr Platz geben wollte. Das kam mir sehr gelegen, weil nicht in jedem Film und jedem dritten Satz eine charmante Pointe versteckt sein muss. Es darf auch einmal eine nüchternere Realität sein, die leisere Töne anschlägt.

Woran liegt es, dass Sie sonst eher die lauten Rollen spielen? Entspricht das mehr Ihrem Naturell?

Anteilig schon. Für den Münchner Bankmanager werde ich eher selten angefragt. Aber ich habe eine Hamburger Matrosenhaftigkeit in mir, gepaart mit einer gewissen Exotik und einer Whiskey-Stimme - und das wird eben scheinbar gerne abgefilmt. Da kann ich niemandem einen Vorwurf machen, mir liegt das Fach.

Sie spielen einen Hausmann, der sich ums Kind kümmert, Ihre Filmpartnerin macht Karriere. Hört sich gut an, klappt aber nicht wirklich.

Aber es bleibt trotzdem Hoffnung. Wenn im Kino von Beziehungen erzählt wird, dreht es sich oft um die Suche nach etwas Symbiotischem, um Prinzen und Prinzessinnen. Dabei geht es eigentlich nicht um das eine fehlende Puzzleteil, sondern um zwei unterschiedliche Menschen, die zusammenfinden, um Differenzen, die sich vereinbaren. Ich finde, dass der Film ein realistischeres Bild von einer Beziehung vermittelt als das, was man sonst in romantischen Komödien sieht. Da heißt es nur: Du musst einfach weitersuchen, dann findest du den Passenden, und alles ist gut. Aber eigentlich geht es dann doch erst los.

Die Handlung konzentriert sich auf den Silvesterabend, was etwas konstruiert wirkt. Haben Sie sich da nicht zu viel vorgenommen?

Finden Sie? Der Film ist ein Herzensprojekt von Niels Laupert, da steckt viel von ihm selbst drin. So etwas macht das Ganze immer gleichzeitig schön und schwierig. Für ihn hängt da viel dran, das kann ich gut nachvollziehen. Ich finde aber auch, dass die Sache mit Silvester eine schöne Symbolik hat, es geht um das Feiern eines Endes und eines Neuanfangs.

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Sie haben Anfang 2016 gedreht. Wieso hat es so lange gedauert, bis der Film fertig war?

Er war ziemlich lang im Schnitt. Was die Tonalität und den Rhythmus betrifft, haben sie einfach leidenschaftlich experimentiert. Gerade bei so einer Geschichte, die auf verschiedenen Zeitebenen spielt, kann man zehn Filme aus dem gleichen Material schneiden. Ich war überrascht, als ich den fertigen Film gesehen habe, weil er doch sehr abweicht von der Grundstruktur des Buchs. Aber Filmemachen ist ein Prozess und kein fertiges Konstrukt.

Ihre Partnerin in diesem Film hier war Sylvia Hoeks, ansonsten drehen Sie oft mit Leuten wie Til Schweiger oder Christian Ulmen.

Christian kenne ich seit meiner Kindheit, er ist ein bisschen älter als ich, aber wir haben uns beim Judo regelmäßig auf die Matte gelegt. Beziehungsweise er mich.

Sind Sie seitdem mit ihm befreundet?

Christian würde auf diese Frage laut "Ja" schreien. Wir haben gerade die zweite Staffel der Serie "Jerks" abgedreht. Sie müssen wissen, er hat nur mich, ich bin sein bester und einziger Freund. Das ist bei mir anders, ich bin sozial integriert. Sagen Sie es ihm nicht, aber Christian ist für mich eher ein Charity-Projekt.

Whatever Happens , läuft von Donnerstag an in den Kinos

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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