Eurovision Song Contest 2009 in Moskau:Swing-Pop mit Strip-Flop

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Dita Von Teese zieht sich für Deutschland aus, doch vergebens: "Miss Kiss Kiss Bang" floppt in Moskau. Es siegt ein kreuzbrav fiedelnder Bub aus Norwegen.

Julia Bönisch und Mirjam Hauck

Welch eine Enttäuschung. So groß war der Auftritt von Dita Von Teese angekündigt worden. Ganz Deutschland, ja, ganz Europa wartete darauf. Und dann das: Für mindestens 100 der insgesamt 180 Sekunden der deutschen Performance war einzig Oscar Loyas silberne Leggings im Bild.

Eine Enttäuschung: Der Auftritt von Dita Von Teese zusammen mit Oscar Loya. (Foto: Foto: Reuters)

Dabei sollte die porzellangleiche Burlesque-Tänzerin uns doch den langersehnten Erfolg bringen. Wir Deutschen können zwar nicht singen und nicht komponieren, so die Botschaft, aber das mit den Frauen, das kriegen wir immer noch hin.

Doch als die Kamera dann endlich die Stripperin einfing, wie sie auf einem billigen, schwarzen Plastik-Knutschmund aus dem Baumarkt herumrutschte, hatten sich die Zuschauer aus den Nachbarländern vermutlich schon auf die Toilette oder zum Kühlschrank begeben.

Die bittere Bilanz: ein Punkt aus der Türkei, zwei Punkte aus Bosnien-Herzegowina und den Niederlanden, drei Punkte aus Albanien, sieben aus Großbritannien und Dänemark - Platz 20 von 25. Schlechter schnitten nur Soraya aus Spanien, die sich mit ihrem Song "La noche es para mi" dem Balkan-Pop anbiederte, und der DJ-Bobo-Verschnitt aus Finnland ab. Auch die maltesische Chiara mit ihrer klassischen Grand-Prix-Ballade, der nuschelnde Roger Cicero aus Litauen und die Balkan-Girls (Rumänien) konnten nicht punkten.

Offenbar hatte auch das neue Wertungssystem, bei dem die Zuschaueranrufe mit dem Urteil einer "Experten"-Jury kombiniert wurden, Deutschland nicht geholfen. Vielleicht müsste man dieses angeblich gerechtere Konzept ohnehin noch einmal überdenken: In Deutschland sollte die geballte musikalische Kompetenz unter anderem Scooter-Shouter H. P. Baxxter gewährleisten, der sich in der Vergangenheit mit Hyper-Hyper-Rufen hervortat und seinen Ruhm auf die Frage "How much is the fish?" gründete. Ihm zur Seite stand unter anderem das ehemalige Lehrmädchen von Merkel-Coiffeur Udo Walz, Jeanette Biederman. Soviel dazu.

Dies erklärt auch, warum sich das schlussendliche Abstimmungsergebnis nicht wesentlich von denen der Vorjahre unterschied. Osteuropa und weitere ehemalige Sowjetstaaten begünstigten sich auch bei durchschnittlichen Liedern gegenseitig. Auch der skandinavische Wiking-Block und die baltischen Staaten sahen sich als kulturelle Einheit. Diese Kohärenz fehlte in Mitteleuropa. So bekam Deutschland weder aus der Schweiz noch aus Frankreich Punkte.

Also alles wie gehabt? Weit gefehlt: Die Ukrainerin Svetlana Loboda schaffte es mit ihrem Song "Be my Valentine! (Anti-Crisis-Girl)" tatsächlich, einen neuen Tiefpunkt zu setzen. Lasziv wiegte sie ihre Hüften im roten Minikleid und stakste in nuttigen Stiefeln in einem Röhnrad herum. Dazu ließen drei halbnackte Gladiatoren mit silbernen Harnischen ihre Muskeln spielen, während sich der Zuschauer verzweifelt fragte, was die Römer noch gleich in Kiew verloren haben.

Dagegen wirkte Patricia Kaas, die Grande Dame des französischen Chansons, als hätte sie sich in die falsche Show verirrt. Die Bühne gehörte allein ihr, als sie im schlichten, stilvollen schwarzen Kleid "Et S'il Fallait Le Faire" sang.

Mit dem Siegertitel, "Fairytale" von Alexander Rybak", hatte Norwegen alles richtig gemacht: Mit einem Sänger mit weißrussischen Wurzeln waren die Stimmen der Osteuropa-Fraktion sicher, Mitteleuropa wurde dagegen durch den bubenhaften Charme verzaubert. Rybak hätte mit seiner Geige auch gut bei Jugend Musiziert teilnehmen können, so angenehm wohlerzogen wirkte sein Auftritt in Moskau.

387 Punkte erhielt der Sieger von den 41 Teilnehmerländern und lag damit deutlich vor der zweitplatzierten Isländerin und dem Duo aus Aserbaidschan. Damit geht der Sieg zum dritten Mal nach Norwegen. 1985 gewannen Bobbysocks mit dem Happy-Popsong "Ladet swinge", 1995 Secret Garden mit dem New-Age-Titel "Nocturne".

Im nächsten Jahr heißt es also "Ein Lied für Oslo". Auch wenn der Wodka in Norwegen teurer ist als in Russland, sollte Deutschland dort auf Sieg spielen. sueddeutsche.de hat schon ein Ass im Ärmel: Das binationale Duo "The Vi-Kings" bestehend aus einer mazedonischen Mezzosopranistin mit schwedischer Großmutter und einem britischen Bratschisten singt "Norwegian Wood" in einer Fassung von Andrew Lloyd Webber, der wieder als gepuderte Leiche am weißen Flügel sitzen darf. Dazu kann Deutschland ruhig noch einmal eine Stripperin auf die Bühne schicken. Ist sie gebürtige Weißrussin, ist uns der Sieg dann sicher.

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