Endzeitdrama "I am Legend":Der Lichtstreif am Horizont

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Endzeitdramen sind im Kino der letzten zehn Jahre populär. Doch die weltumfassende Katastrophe entbehrt der Hoffnung nicht. Eine Rundumschau aus Wissenschaft und Literatur.

Petra Steinberger

Es ist eine archetypische Szene, in der eine Frau auf den Mann wartet, der einsam in den Sonnenuntergang blickt. Denn er hat sich eigentlich nur zeitweise in die Einsamkeit zurückgezogen, weil er weiß, das es irgendwo eine Zukunft gibt, in der er nicht allein sein wird - wenn er es auch nicht gern zugibt. Es ist ein altes Klischee und heißt Hoffnung.

Filmszene aus "The Day After Tomorrow" (Foto: Foto: AP)

Charlton Heston blickt am Ende von "Planet der Affen" auf die vom Sand bedeckte Freiheitsstatue. Das ist geblieben von der menschlichen Zivilisation. Aber wenigstens hat er eine stumme Wilde an seiner Seite. Die Art ist gerettet. Wenn aber keiner mehr da draußen wartet auf den Mann, weil er der Letzte ist, dann bleibt ihm nur die Einsamkeit. Das ist dann tatsächlich das Ende der Welt. Die Apokalypse.

Jeder hat seine eigene Vorstellung, wie seine Welt enden wird: durch Atomkrieg, Weltraumtrümmer, Umweltkatastrophen oder Seuchen. Zurück bleiben Eis, Wüste, Salzwasser. Interessant ist die Zeit danach. Die wenigen Überlebenden werden zu Mutanten, Kannibalen und Sklavenhaltern, sie fallen in urzeitliche Riten zurück, sie verehren blutgierige Götter und gründen brutale Feudalregimes. Und manchmal finden sie Artefakte der verlorenen Zivilisation, mit denen sie nichts anfangen können.

Wenn wir einfach verschwinden würden...

Doch wenn es einmal so weit käme, wäre die Freiheitsstatue wohl nicht darunter, sie läge längst am Meeresgrund. Autowracks sind vergänglich. Konservendosen auch. Ein paar alte Steingebäude bleiben, aber keine Photographien, keine Bilder von uns. Dafür aber Ken und Barbie und jede Menge Plastik.

Das zumindest meint der Wissenschaftsautor Alan Weisman, der in seinem Bestseller "Die Welt ohne uns" minutiös nachzeichnet, was bleiben würde von uns und unserer Zivilisation, wenn wir einfach eines Tages verschwinden würden. Nicht viel, wenn die Natur sich hermacht über unsere Welt. Asphalt und Beton brechen, reißen, zerfallen zu Staub. Glas- und Stahlbauten stürzen ein. Nach zwei Tagen ohne menschliche Wartung wäre die New Yorker U-Bahn vollständig überschwemmt. Istanbul wäre nach dem nächsten Erdbeben ein Trümmerhaufen.

Mit Taubenkot beginnt der Untergang der großen Stahlbrücken, denn er frisst sich durch die Farbe, die vor dem Rost schützt. Bei Aluminium weiß man noch nicht, wie lange es hält, es ist als Erfindung zu jung. Unterirdische Anlagen, wenn sie nicht auf Erdverwerfungen liegen, werden am längsten bestehen bleiben. Länger noch als Steinbauten. Die prähistorische Megafauna, die der Mensch nur in Afrika noch nicht ausgerottet hat, wird zurückkehren. Wie die Wälder. Hunde und Rinder werden wieder verschwinden, und Ratten und Kakerlaken beinahe, weil sie den Menschen brauchen auf die eine oder andere Art.

Natürlich ist diese Geschichte ein Spiel. Wir werden wohl überleben. Selbst wenn ein Virus 99,99 Prozent der Menschheit umbringt, wenn nur jene 0,01 Prozent übrig bleiben, die von Natur aus immun sind gegen ihn, dann sind das eine halbe Million Menschen, die die Erde innerhalb von 50000 Jahren wieder auf die heutige menschliche Bevölkerung bringen würden.

Kampf um die Ordnung

Und wenn nicht? Die Welt als System mag sich zwar verändern, bliebe aber, in einem vielleicht anderen Aggregatzustand, bestehen. Wenn wir sie also nicht aus versehen wirklich in die Luft sprengen, dient uns die Apokalypse als Aufforderung. Sie stellt die Schuldfrage: Werden wir sie selbst verursachen? Und wenn ja, haben wir es dann noch verdient, zu überleben? Wer das Bild der Apokalypse zeichnet, verlangt meist etwas von uns. Er stellt uns vor Alternativen: Wir können gar nichts tun und uns de Untergang ergeben. Wir können in einer post-apokalyptischen Welt wieder von vorn anfangen - vielleicht besser. Oder wir können versuchen, die Apokalypse zu verhindern.

Aber es bleibt selten, dass der Mensch gar nicht mehr kämpfen will. Der Engländer J. G. Ballard lässt in seinem Roman "The Drowned World" die Reste der Menschheit vor der immer stärkeren Hitze der Sonne an die Pole flüchten. Es wird kein Entkommen geben. Europa hat sich in eine tropische Wildnis verwandelt. Diese Welt ist ein Fiebertraum, der die Menschen in den Wahnsinn treibt. Zuletzt wandert der Held selbst in den immer heißeren Süden, in seinen Tod und noch davor in die Selbstaufgabe, bis er liegen bleibt. Dies ist kein Akt der Sühne. Der Mensch verwandelt sich wieder zurück in einen unbewussten Teil des Ganzen. "Jeder von uns ist so alt wie das gesamte Reich der Natur, und unsere Blutbahnen fließen dem großen Ozean seiner totalen Erinnerung zu."

Meist lässt man uns allerdings kämpfen in den Geschichten, die von jener Welt danach erzählen. Amerikas Science-Fiction-Autoren lassen ihre Helden verteidigen, was sie für die bekannte, beste Gesellschaftsordnung halten, also Freiheit und Individualismus oder Gerechtigkeit und Gleichheit. Das, was im Untergang verloren ging. Trotz aller dystopischen Visionen scheint doch immer wieder Optimismus durch, meist zukunftsbesessen. Denn auch wenn Technik und Wissenschaft den Untergang herbeigeführt haben, sind sie doch die beste Hoffnung für eine Zukunft, bleiben sie Manifestationen der Aufklärung und Weltoffenheit.

Es gibt sie, die Hoffnung

David Brins "The Postman" von 1985, von Kevin Costner verfilmt, kämpft gegen Milizen, die nicht mehr als eine Horde Überlebenskünstler sind, die die Moderne verfluchen. Sie sind es, die für den Zusammenbruch der menschlichen Gesellschaft verantwortlich sind. Und selbst Cormac McCarthy kann in "The Road" die Hoffnung nicht völlig aufgeben für den Mann und seinen Sohn, die durch eine schwarze, verbrannte Welt ziehen auf der Suche nach Wärme und nach dem Meer, das sich als vergiftet und tot herausstellt. Was, fragt der Mann einmal einen Fremden, wenn er der letzte Mensch auf Erden wäre. "Es würde keinen Unterschied machen", sagt der, "wenn du stirbst, ist es dasselbe, als wenn alle anderen auch sterben würden." - "Ich glaube, Gott würde es wissen. Ist es nicht so?", fragt der Mann.

Wirkliche Hoffnungslosigkeit im Angesicht des Untergangs ist selten. Selbst kühle Analytiker der Apokalypse wie Alan Weisman, die uns scheinbar ungerührt von der Zeit ohne uns berichten, tun dies mit einer Absicht. Es gibt sie, die Hoffnung. Manchmal scheint es, dass Weisman von dieser scheinbar glücklichen menschenlosen Zukunft vor allem deshalb berichtet, um zu beweisen, dass eine solche Welt auch mit uns möglich ist - mit ein wenig Anstrengung. Warum würde er sonst überhaupt noch schreiben?

© SZ vom 9.1.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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