Endlich Zeit für:Schmarrn ohne Unterlass

Lesezeit: 2 min

Jakob Pischeltsrieders " Zwergerlgschichten"

Von Barbara Hordych

Zu welch kreativen Höhenflügen "Erzähl-Opas" ihre Enkel späterhin anstiften können, belegt allein schon die berühmte FilmTrilogie Heimat von Edgar Reitz. Der berichtete jüngst in einem Gespräch von seinem Großvater mütterlicherseits, der seinen Enkeln auf der sogenannten "Erzählbank" im Garten vor dem Haus leidenschaftlich gerne Gespenstergeschichten zu Gehör brachte. Und wenn der kleine Edgar und seine beiden Geschwister so richtig Gänsehaut bekamen, hatten er und seine jungen Zuhörer den größten Spaß.

Auch der Gräfelfinger Jakob Pischeltsrieder hatte einen solchen Erzähl-Opa. Der trug allerdings keine Gespenstergeschichten vor, sondern erzählte Jakob und seinen Brüdern jeden Abend vor dem Einschlafen selbst erfundene Abenteuergeschichten rund um die bairischen Zwergerl Wichtl und Burzl. Um das Vermächtnis seines Großvaters zu erhalten, hat der 31-Jährige Pischeltsrieder, der in einer Großfamilie auf einem Bauernhof aufwuchs, nun zehn dieser Märchen rund um die charmant-frechen kleinen Helden aufgeschrieben: Ob mit den Marderbuam, dem Osterhasen, dem Rehbock Sepp oder den Frischlingen, mit allen sind die fröhlichen Zwergerl gute Spezln und haben eine Riesengaudi, auch wenn es hin und wieder kritisch wird. Denn die beiden "Lausbuam", die unter einer Buche irgendwo tief im Wald an der Isar leben, hecken ohne Unterlass Schmarrn aus, auf dass es ihnen bloß nicht fad werde. Dem Wichtl fallen die besten "saublöden Ideen" ein, bei denen der Burzl natürlich sofort mitmacht. Das Nachsehen haben Waldbewohner wie der Fuchs, der an seiner buschigen Rute aus dem Schlaf gezogen wird oder auch der Bauer, dessen Auto sie zu einer Rutschpartie nutzen.

Eine Botschaft war dem Großvater aber in all seinen Geschichten offensichtlich wichtig: Wer einen Schmarrn macht, muss ihn hernach auch wieder gutmachen. Beispielsweise, als sie der Oma und ihren Hühnern einen Streich spielen: Erst kippen die Zwergerl unbemerkt den Wassereimer um, danach holen sie heimlich die Eier unter den Hühnern hervor, um sie zu verstecken. Die arme Alte erlebt also ihr ganz persönliches Oster-Wunder, als sie hernach bei der Eiersuche sogar unter dem Gockel fündig wird. Doch der Raabe, vor dessen spitzem Schnabel die Zwergerl einen Heidenrespekt haben, beendet den Schabernack. "Jetzt reicht's!" verkündet er - und verdonnert die beiden Lausbuben dazu, im Kräuterbeet Unkraut zu rupfen. So tief wie an diesem Abend haben der Wichtl und der Burzl wohl lange nicht mehr geschlafen ...

Versammelt sind die Geschichten auf einer Hörbuch-CD, die der auf Bavarica spezialisierte Münchner Volkverlag 2017 herausgegeben hat. Gelesen werden sie vom Münchner Schauspieler Gerd Anthoff, lange Zeit Ensemblemitglied am Bayerischen Staatsschauspiel und für seine Fernseharbeit mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Seine warme, markante Stimme haucht den beiden Zwergerln bayerisch-temperamentvolles Leben ein und lässt Igel Ertl, Karpfen Loisl oder den alten Onkel Dachs in formvollendeter bairischer Mundart zu Wort kommen. Rainer Gruber vom Duo gruber + gruber wiederum hat zur Untermalung der Geschichten Musik komponiert und gemeinsam mit seiner Frau Anita Staltmeier eingespielt. Ihre Akkordeon- und Gitarren-Klänge begleiten den Wichtl und den Burzl auf ihren Streifzügen durch den Wald.

Es muss ja nicht gleich ein Jahrzehnte überspannendes Filmwerk sein, zu dem die geliebten Erzähl-Opas mit ihren Geschichten inspirieren. Es darf aber vermutet werden, dass die Sogkraft der "Zwergerlgschichten" nicht unwesentlich an Pischeltsrieders Entscheidung beteiligt war, schon in jungen Jahren die Jägerprüfung abzulegen und später Wald- und Forstwirtschaft zu studieren. Was ja auch ein erfreuliches Ergebnis solcher Hörerlebnisse ist (ab 4 Jahren).

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: