Emilio Estevez und der Kennedy-Mythos:Die Stille nach dem Fest

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Sharon Stone als Friseuse? In seinem Film "Bobby" setzt Emilio Estevez auf ein großes Staraufgebot und beschwört den Tag, an dem Robert Kennedy starb.

Fritz Göttler

Das war der Tag, an dem die Musik erstarb. Der 4. Juni 1968. Robert Kennedy hatte an diesem Tag die Vorwahlen in zwei US-Bundesstaaten bei den Demokraten für sich entschieden, feierte mit seinem Team im Ambassador Hotel in Los Angeles. Kurz nach Mitternacht wurde er auf dem Weg zu einer Pressekonferenz durch die Küche des Hotels geführt, dort feuerte der gebürtige Palästinenser Sirhan Sirhan auf ihn, verletzte ihn und vier weitere Menschen in der Menge, die sich um ihn drängte.

Demi Moore in Sharon Stones wunderbarem Friseursalon. (Foto: Foto: ddp)

Einen Tag später erlag Kennedy seinen Verletzungen. Nach diesem Tag war die Nation in freiem Fall, sagt der Filmemacher Emilio Estevez. "Das war der Tod von Anstand und Hoffnung, der Tod von Anmut und Form, der Tod der Poesie und des Lichts unseres Landes." Von nun an musste das Land lernen, auf die sounds of silence zu hören.

Hello darkness, my old friend, I've come to talk with you again ... Der Kennedy-Mythos ist heute stärker denn je, wobei der Glamour Bobbys dem seines Bruders John in nichts nachsteht. Emilio Estevez glaubt an die Kraft dieses Mythos, an diesen Traum vom starken, reinen, solidarischen Amerika, aber sein Film "Bobby" will die Schäbigkeit nicht kaschieren, in der dieser Traum geträumt wurde, macht unglaublich brutal den Soap-Touch der Sechziger deutlich.

Einsamkeit der modernen Gesellschaft

22 Menschen bringt er in seinem Film zusammen, in der Manier des von ihm verehrten Robert Altman, aber keiner von denen ist wirklich angenehm, liebenswert, überzeugend. Die längste, schmerzlichste, vom strahlenden Zentrum am weitesten wegführende Szene gehört Sharon Stone und Demi Moore, die sich gegen Ende im Frisiersalon des Hotels begegnen. Stone ist die Haarstylistin des Hotels, sie türmt Moore das Haar für ihren letzten Auftritt im Ballsaal zurecht.

Zwei Frauen, die in die Jahre gekommen sind, die Probleme bewältigen müssen wie Alkohol und Treue, die Einsamkeit der modernen Gesellschaft. Stones Mann ist William H. Macy, der Manager des Ambassador, in seinem Job ein überzeugter Liberaler, der spontan seinen Küchenchef - Christian Slater - feuert, als der rassistisch die Angestellten traktiert.

In seinem Privatleben vögelt Macy eine Telefonistin des Hotels. Eine verdruckste Doppelgesichtigkeit, gegen die der knallharte Rassismus von Slater fast nach wilder Anarchie klingt. "Wieso soll man denn den Mexikanern freigeben, um zur Wahl zu gehen", brummelt er, "die meisten sind doch eh illegal hier, und lesen können sie auch nicht."

Nur weg von Hollywood

Der Film hat eine lange Entstehungsgeschichte, ist ein eigenwilliger Versuch, die eigene Lebenskrise zu überblenden mit der Krise der USA. In den Achtzigern machte Emilio Estevez Furore als einer der jungen Hollywood-Wilden im neuen Bratpack, neben seinem Bruder Charlie Sheen, Kiefer Sutherland, Mickey Rourke, In den Neunzigern sackte er dann plötzlich ab, versuchte sich als Schreiber und Regisseur, kam aber über diverse Fernsehserien nicht hinaus.

Er dachte an Neuanfang, verkaufte sein Haus, wollte weg, weg vom Kino vor allem. Zu dieser Zeit begann er das Script für "Bobby", und es ist diese amerikanische Nullpunkt-Stimmung, die im Film immer wieder spürbar ist. Als er fünf war, hatte Emilio Bobby die Hand schütteln dürfen, auf den Schultern seines Vaters Martin Sheen hockend, der sich stark im Wahlkampf engagierte.

Ein Jahr nach der Ermordung Bobbys wollte die Familie sich in Los Angeles ansiedeln, auf dem Weg machte man Station beim Ambassador, und Martin Sheen zeigte dem Sohn die Räume, den Ballsaal, die Küche. Das Hotel ist inzwischen abgerissen, nach einem langen Schließungs- und Demolierungsprozess, ein paar Szenen hat Emilio Estevez gerade noch dort drehen können.

Hotelfilme haben ihre eigenen Gesetze, sie folgen einer konsequenten Drehtür-Dramaturgie, Modell Garbo/Grand Hotel, mit ihrem atemlosen Kommen und Gehen. Auch "Bobby" wirbelt ungeniert das Politische mit dem Privaten durcheinander und lässt dabei kaum ein Thema aus, das damals unter den Nägeln brannte. Ein Mädchen heiratet einen Jungen, damit er nicht nach Vietnam muss.

Zwei Kids aus dem Wahlkampfteam büxen aus und machen erste Erfahrungen mit LSD und Sex. Anthony Hopkins hockt mit der Aura eines Elderstatesman in der Hotelhalle, aber natürlich ist er nur der pensionierte Hotelportier, der seinen vertrauten Platz nicht missen mag. In der Küche feiern die Ausgebeuteten Verbrüderung, schieben sich gegenseitig die Karten fürs Footballmatch zu. In der Rassenfrage scheint es durchaus Fortschritte zu geben - die Mexikaner werden wohl die neuen Neger. Die Reichen plaudern über "Die Reifeprüfung" oder erzählen von merkwürdigen Suppendosenbildern, die sie erwarben.

Das Fest ist vorbei

Die Legende scheint Wirklichkeit zu werden in diesem Film - natürlich war Bobby Kennedy nicht die Lichtgestalt, als die er hier beschworen wird, hat in der Regierung seines Bruders bei der missglückten Kuba-Invasion mitgemacht, hat später Martin Luther King bespitzeln lassen. Mit der Rede, die Bobby nach dessen Tod hielt, endet der Film, untermalt vom Song "Sounds of Silence".

Und im Pathos dieses Moments, in diesem unglaublichen "Ja, wir teilen alle den gleichen kurzen Moment des Lebens" ist eine Freiheit zu spüren, eine Gemeinschaft zwischen dem Kandidaten und dem Volk, wie sie nun verloren scheint. Neue Götzen sind an der Macht ... "And the people bowed and prayed to the neon god they made."

Als Emilio Estevez seine Lebenskrise bewältigt und sein Script fertig hatte, kam der Schock des 11. September. Von der Freiheit, die danach verloren ging, auch davon erzählt dieser Film. Schon deshalb fehlt "Bobby" die Lässigkeit, die zeitlose Altersweisheit, die man bei Robert Altman so liebt.

"Bobby" lebt von seinen Stars, aber auch von seiner location. Die amerikanische Hotelkultur gewinnt ihr Flair aus der Erinnerung an die Zwanziger, die so dynamisch waren und so aufreizend intellektuell. Sechsmal wurden im Ambassador, wird vermeldet, die Oscars vergeben, einmal, erinnert sich Hopkins, hat Will Rogers auf den Rasen des Hotels gepisst. Die Frauen des Films - Demi Moore, Sharon Stone, Helen Hunt, Lindsay Lohan - kommen daher mit einer sanften Aura von Charleston, in der Tradition der City Girls der Zwanziger: Wir sind alle Huren. Manche werden bezahlt.

Zum Wesen der Feststimmung, zum Mechanismus der großen Feste gehört, dass man den Moment nicht bemerkt, an dem sie ihren Höhepunkt überschritten haben - am intensivsten hat diese Dialektik des Alten und des Neuen Viscontis "Leopard" zelebriert. Nun zeichnet der kommende Tag sich ab, und es ist immer stärker eine Müdigkeit zu spüren, eine Desillusionierung. Das Fest ist zu Ende. Will wirklich jemand sagen: Wir sind dabei gewesen.

(SZ vom 7.3.2007)

© BOBBY, USA 2006 - Regie, Buch: Emilio Estevez. Kamera: Michael Barrett. Schnitt: Richard Chew. Musik: Mark Isham. Produktionsdesign: Patti Podesta. Anthony Hopkins, Harry Belafonte, William H. Macy, Sharon Stone, Christian Slater, Freddy Rodriguez, Laurence Fishburne, Demi Moore, Emilio Estevez, Martin Sheen, Helen Hunt, Lindsay Lohan, Elijah Wood. Kinowelt, 119 Min. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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