Echo-Verleihung:Unterirdisches Geplänkel

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Die Echo-Verleihung könnte als deutsches Pendant zum Grammy eine feine Sache sein - doch warum werden dann die Kastelruther Spatzen geehrt?

Ruth Schneeberger

Vielleicht lag es daran, dass so viele internationale Stars beim letzten Mal nicht dabei waren, um ihre Preise entgegenzunehmen: Eminem, die Red Hot Chili Peppers und auch Robbie Williams blieben dem Echo 2007 trotz Auszeichnung fern. Vielleicht hat man deshalb diesmal lieber fast ausschließlich auf deutsche Künstler gesetzt, die erwartungsgemäß brav antreten, sich artig bedanken, ein Liedchen trällern und vielleicht sogar noch ein paar Tränen verdrücken.

Nicht unbedingt in guter Gesellschaft - die Fantastischen Vier bei den Echos (Foto: Foto: ddp)

Vielleicht stimmt es aber auch, dass der Echo ausschließlich diejenigen Künstler ehrt, die auf dem deutschen Markt im vergangenen Jahr am erfolgreichsten waren - dann müsste man nicht mehr sauer sein auf RTL, sondern auf den deutschen Markt:

Fast vier Stunden Echo-Verleihung, moderiert von Berufs-Kumpel Oliver Geissen und einer merkwürdig farblosen Nazan Eckes, inklusive angeteaster Aftershow-Party lieferten nämlich ein ziemlich müdes Ergebnis. Oder wie wollte man es sonst nennen, wenn unter den Nominierten für den Hit des Jahres 2007 Künstler wie Nelly Furtado, Rihanna, Timbaland und Ich&Ich ins Rennen ziehen - und ausgerechnet DJ Ötzi mit "Ein Stern" den Preis gewinnt?

Damit nicht genug: DJ Ötzi gewinnt noch ein weiteren Echo und gehört somit neben Herbert Grönemeyer und Bushido zu den Gewinnern des Abends. Hat die deutsche bis internationale Musikszene denn nun wirklich nichts Besseres zu bieten?

Doch, sie hat - aber die anderen werden nicht ausgezeichnet. Zumindest nicht mit dem deutschen Echo. Alicia Keys beispielsweise sollte einen Live-Auftritt mit ihrem Song "No one" hinlegen, gehörte aber nicht mal zu den Nominierten. Eigentlich kein Wunder, dass die Kronprinzessin des Soul ihren Berlin-Besuch absagte. Sehr wohl aufgetreten ist Kylie Minogue, nur leider in viel zu hohen Stilettos, in denen sie kaum laufen, geschweige denn tanzen konnte, und leider mit ihrem eher lahmen Song "In My Arms".

Dabei wäre ihr kürzlich erschienener Hit "Two Hearts", möglicherweise das beste Lied ihrer gesamten Laufbahn, mindestens einen Echo Wert gewesen. Doch die frisch gesundete Kylie war gar nicht nominiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Bushido und DJ Ötzi wirklich füreinander empfinden.

Stattdessen wird als internationale Künstlerin Nelly Furtado ausgezeichnet, die aber - Überraschung - nicht erscheint. Genauso wenig wie die anderen ausgezeichneten Künstler Linkin Park (Rock/Pop International), 50 Cent (HipHop international), die Ärzte (Rock/Alternative national) - und sogar der als internationaler Nachwuchskünstler ausgezeichnete Mika war nicht da.

Selbst Tokio Hotel, zuletzt noch als Kinderband gefeiert, scheinen nun auch schon zu groß für den Echo zu sein und gaben lieber ein Konzert in L.A. Zumindest bedankten sie sich noch in einem vorab produzierten Video und beteuerten, dass der Echo ja eigentlich die viel größere Sache sei - aber sie müssten jetzt noch dringend weiter nach New York.

Dafür bekamen die Kastelruther Spatzen ihren elften Echo verliehen, und auch die außerhalb des Echos eher unbekannte Künstlerin La Fee war schon zum zweiten Mal dabei und sahnte den Preis als beste Rock/Pop-Künstlerin Deutschlands ab.

Wenn er eine Frau wäre...

Ähnlich absurd ging es mit den Sonderpreisen weiter: Okay, Dieter Thomas Heck bekommt einen, weil er sich 2007 von der Bühne verabschiedet hat. Aber was hat Kinderliedermacher Rolf Zuckowski mit den Hits des Jahres 2007 zu tun? Das scheint egal zu sein, er wird für sein Lebenswerk geehrt, und er freut sich auch mächtig.

Außer Fanta Vier, die als beste deutsche Rock/Pop-Gruppe ausgezeichnet wurden (Ihr Hit 2007: "Es könnte alles so einfach sein - isses aber nicht"), und schon vor 15 Jahren beim Echo dabei waren, war also von aktuell guter Musik eher wenig zu spüren. Wurde schon erwähnt, dass DSDS-Gewinner Mark Medlock als bester nationaler Newcomer ausgezeichnet wurde? Er nutzte die Show, um Dieter Bohlen mitzuteilen, dass er ihn längst geschwängert hätte, wenn er eine Frau wäre - oder so ähnlich. So ganz konnte und wollte man das unter den ganzen Flüchen nicht verstehen, was sicher sehr lieb gemeint war.

Genauso lieb hatten sich plötzlich Alpen-Öhi DJ Ötzi und Skandal-Rapper Bushido, weil Letzterer begeistert von seinem Sitz aufgestanden war, als Ersterer sein Lied "Ein Stern" performte - so dass auf der anschließenden Aftershow-Party Frauke Ludowig jäh aus ihrem Interview gerissen wurde, als sich Ötzi innig bei Bushido bedanken musste.

Bei so viel selbst für RTL erstaunlich unterirdischem Geplänkel war es nur gut, dass zumindest das Rahmenprogramm einigermaßen in der Lage war, die Laune zu heben: Comedian Michael Mittermeier witzelte über DSDS, Fettes Brot performte ihren Gute-Laune-Mitgröl-Hit "Bettina" und Oliver Pocher gab eine prima Britney-Spears-Parodie mit fettem Bauch und Spitzendessous. Das ist der Vorteil an einem schlechten Programm: Man ist im Anschluss so schnell zufrieden zu stellen.

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