DVD-Verbot aufgehoben:Das Oscar-Heimtheater

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Jetzt müssen sie nicht mehr ins Kino: Der Bann gegen den Versand von Videos und DVDs an die Mitglieder der Academy of Motion Picture ist aufgehoben. Der Ärger bleibt dennoch.

SUSAN VAHABZADEH

Jack Valenti, der Präsident der Motion Picture Association of America (MPAA), hat offensichtlich einiges mitgemacht in den letzten Wochen - es sei die qualvollste Zeit seines Lebens gewesen, hat er gesagt. Eine ziemlich drastische Formulierung für einen, der während des Vietnamkriegs Präsidentenberater war. Der Vorstoß der MPAA, wegen der zunehmenden Film-Piraterie den Versand von Videos und DVDs an jene Gremien zu untersagen, die Filmpreise vergeben, hatte zu heftigen Protesten von Filmemachern und Schauspielern geführt.

(Foto: N/A)

Der MPAA-Chef Valenti, dessen Organisation die Interessen der sieben großen Studios vertritt, wurde selbst von seinen engsten Freunden dafür angegriffen - weil diese Praxis kleinere Filme benachteiligen würde.

Nun hat sich die MPAA mit der Academy, die die Oscars vergibt, auf einen Kompromiss geeinigt: Die Academy-Mitglieder müssen nicht alle Filme im Kino ansehen - sie bekommen zur Entscheidungsfindung für die Oscar-Nominierungen markierte Videos zugeschickt. Die Markierungen ermöglichen es, beim Auftauchen von Raubkopien den Weg des Films ins Internet zu verfolgen - und wessen Oscar-Video als Raubkopie auftaucht, der hat mit heftigen Sanktionen - bis zum Rausschmiss aus der Academy - zu rechnen. Der Vorschlag stammt vom Präsidenten der Academy, Frank Pierson.

Die Sache ist aber damit immer noch nicht erledigt - sie geht nur in die nächste Runde: Denn der Kompromiss gilt nur für die Academy, nicht aber für die kleineren Gremien, die Preise vergeben - nicht für die Kritikerverbände, und nicht einmal für die Hollywood Foreign Press Association, die die Golden Globes unters Volk bringt.

Warum die MPAA kein Interesse an einer Gleichbehandlung dieser Gremien hat, ist klar: Ein Rauswurf aus einer kleinen Organisation macht auf einen potentiellen Raubkopierer weit weniger Eindruck als ein Bannspruch der Academy. Die Academy ihrerseits hat erstmals ihre Preisverleihung vorverlegt - um die award season zu verkürzen und dem Einfluss Einhalt zu gebieten, den die kleinen Preise im Vorfeld der Oscars auf das Abstimmungsverhalten der Academy-Mitglieder haben.

Die HFPA und die Kritikerverbände sind dagegen, die Los Angeles Film Critics Association hat ihre Preisverleihung abgesagt. Was bei den Großproduktionen die Marketing-Millionen-Etats schaffen, leistet bei den übrigen Produktionen die Vorarbeit der kleinen Preise: die Filme ins Gespräch bringen und die Academy-Mitglieder motivieren, sie sich auf Video anzuschauen. Von der Möglichkeit des Kinobesuchs ist allerdings auch in den kleinen Gremien nicht mehr die Rede.

© SZ v. 25./26.10.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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