DVD: "Bonanza":Männerwirtschaft

Lesezeit: 3 min

In den Sechzigern hatte das Wochenende frühabendlich zwei Eckwerte: Samstags die Sportschau, sonntags Bonanza. Die ersten beiden Staffeln der Buddenbrooks Amerikas erscheinen jetzt auf DVD.

Fritz Göttler

Die Familie ist zurückgekehrt in die öffentlichen Diskussion, hat sich vehement als Faktor etabliert, von dem unsere Zukunft abhängen könnte. Kinderkriegen und -erziehen, Altersvorsorge, Generationenvertrag, Geschlechterrollen, Single-Existenzen, die Frage von Tradition und Verpflichtungen - alles Themen, die aktueller scheinen als je zuvor.

Das ist Hoss, das Kind von unterwegs. Mit Gewehr und charakteristischem Gesichtsausdruck. (Foto: N/A)

Klassisches Anschauungsmaterial dazu liefert die Serie "Bonanza", deren Gesamtausgabe das DVD-Label Pierrot le Fou gerade gestartet hat - zwei Jahrgänge liegen bisher vor, fünfzig Stunden Material, digital sorgfältig regeneriert.

"Bonanza" war eins der großen Familienunternehmen des vorigen Jahrhunderts, nicht nur, weil es von einer exemplarischen amerikanischen Kernfamilie erzählt, den Cartwrights auf ihrer Ranch Ponderosa im Herzen von Nevada, sondern auch, weil es viele Jahre Teil des eigenen Familienlebens war. In den Sechzigern hatte das Wochenende frühabendlich zwei Eckwerte, immer wieder in Kollision mit frühen Essenszeiten: Samstags die Sportschau, sonntags Bonanza.

Familie als Keimzelle der frühkapitalistischen Gesellschaft

Die Serie startete in den USA 1959, kam 1962 zu uns, lief schließlich 1973 aus - das war etwa eine Generation lang. Sie markierte das Ende des klassischen amerikanischen Kinosystems und seines reinsten Produkts, des Western, von dessen Motiven und dramaturgischen Effekten sie noch einmal ein Sammelbecken, ein Echoraum war.

Was die Buddenbrooks fürs deutsche Bürgertum und den modernen Roman, das waren die Cartwrights für den amerikanischen melting pot und das Fernsehen. "Bonanza" ist eine weite Landkarte der Erinnerung, auf der sich die autarke Familie als Keimzelle der frühkapitalistischen Gesellschaft und ihres Unternehmertums, zwischen Viehzucht und Bergbau, einzeichnet.

Eine Männerwirtschaft, ein Vater und seine drei Söhne, alle von verschiedenen Frauen, die alle bereits verstorben sind. Geblieben ist von ihnen eine merkwürdige Plüschigkeit in der Innendekoration, die sich sogar in die Hotels und Saloons der Stadt auswirkt.

Es wird geschlägert und übel nachgeredet

Die frühen Folgen gehen sofort in medias res. Die Haare der Helden sind schon ziemlich dicht, aber die Koteletten noch nicht gar so lang, bei Little Joe kräuselt es sich verwegen hinterm Ohr. Pernell Roberts ist noch dabei, als ältester Sohn Adam, der tatsächlich etwas wie erotische Anziehungskraft ins Spiel bringt - Mitte der Sechziger steigt er aus der Serie aus, geht Adam nach Australien.

Die Geschichten sind alles andere als zimperlich, es wird prozessiert, intrigiert, übel nachgeredet, geschlägert, aus dem Hinterhalt abgeknallt, es gibt Hass und Verzweiflung, Goldgier und Fremdenfeindlichkeit - gegen Indianern, Zigeunern, Europäern, Iren. Sogar Hop Sing, der treue Koch, wird, als er mal seine chinesischen Freunde in der schönen Stadt Virginia City besucht, von herumlümmelnden Cowboys zusammengeschlagen.

Eine Folge beginnt mit zwei Galgen, aufgenommen gegen einen für Virginia City seltenen grauen Wolkenhimmel, und man glaubt seinen Ohren nicht zu trauen, für wen sie errichtet wurden: Pa und Adam Cartwright. Ein Komplott, natürlich, aber ihm zugrundeliegend die Verbitterung der sozial Deklassierten gegenüber den großen Landherren, die sich aufführen, als wären sie "die Könige". Der verlässlichen Bodenständigkeit treten die volatilen Elemente entgegen, die Spieler und Trickser und Rächer, die Unruhe ins Land bringen. Hier kommen die Frauen ins Spiel, und da sind auch die Cartwright-Knaben, von keiner Mutter auf einen Kontakt mit Frauen vorbereitet, nicht wirklich gefeit.

Mark Twain als Gaststar

Ein weißhaariger Einarmiger will das Silber für den Krieg Man sollte die Folgen möglichst in dicken Paketen hintereinander sehen, der Versuchung widerstehen, sich die schönsten und farbigsten Momente rauszupicken. Kleine Abweichungen können dann enorme Erschütterungen auslösen - einmal trägt Ben Cartwright für ein paar Minuten statt der vertrauten hellbraunen Lederweste ein schwarzes Hemd, ein anderes Mal soll er zum Gouverneur des neugegründeten Staats Nevada gewählt werden...

In einer der ersten Folgen ist gleich Samuel Clemens zu Gast, weltweit bekannt unter seinem Autorennamen Mark Twain - Howard Duff verkörpert ihn, ein paar Folgen ist seine Frau Ida Lupino Gaststar, als Annie O"Toole. Ein paar Wochen lang hat Robert Altman die Regie übernommen, der eben mit einem Ehrenoscar geehrt wurde - er hat die Serienarbeit genutzt, um sein Metier zu lernen und ein paar Widerhaken in seinen Folgen zu hinterlassen. Selbst der Bürgerkrieg hat nicht Halt gemacht vor der Ponderosa.

Ein geheimnisvoller Mann ist aus dem Süden gekommen, Cameron Mitchell, weißhaarig, einarmig, und will das Silber haben, das in der Gegend gefördert wird, um den kommenden Krieg zu finanzieren. "A House Divided" heißt die Episode, und projiziert das Land Amerika auf die Familie Cartwright: Adam, der die Ostküste verkörpert, der cool ist und den eine Romantik der Einsamkeit umgibt, Little Joe, der hitzig ist und südliches Blut in den Adern hat. Und Hoss, das Kind von unterwegs, auf dem Treck in den Westen geboren, daher für Ausgleich, für Versöhnung der Gegensätze stehend.

© Süddeutsche Zeitung vom 13.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: