Doppelkritik:Wo bleibt die Wut?

Lesezeit: 3 min

"Die lächerliche Finsternis" von Wolfram Lotz ist eines der meistgespielten Stücke auf deutschen Bühnen. Nun haben sich auch Regensburg und Augsburg daran versucht - in sehr unterschiedlicher Manier

Von Egbert Tholl, Regenburg/Augsburg

Nehmen wir einmal an. Halt, besser: Nähmen Sie einmal an, Sie führen auf einem kleinen Boot durch die Wildnis, vielleicht die des Hindukuschs, wobei es zwecks besserer Imagination vielleicht ratsamer ist, an einen Dschungel zu denken. Also, kurzum: Denken wir an "Apokalypse now". Aber jetzt nicht an Brando, Napalm und Vietcong. Sondern nur an die Fahrt auf dem Boot. Daran, wie schön sich das Wasser am Bug teilt. An die Vegetation am Ufer, dick, undurchdringlich und grün. Denken wir an die völlige Verlorenheit und das ganz starke Gefühl, irgendwo zu sein, wo man nicht hingehört. Und dann taucht in diesem übervollen Nichts ein Camp auf, geführt von italienischen Blauhelmsoldaten. Dessen Leiter, ein Kerl namens Lodetti, erzählt Ihnen dann, dass es schwierig sei, den Wilden beizubringen, eine Klobürste zu benutzen. Er regt sich auf, wenn er einen Zigarettenstummel auf der Wiese findet. Er erzählt eine seltsame Geschichte über die Clubszene in den Dolomiten und darüber, wie er als Sechsjähriger nach einer auf Drogen durchtanzten Nacht sexuelle Gefühle für ein gleichaltriges Mädchen glaubte zu empfinden, was bei ihm zur Erkenntnis führt, dass die "Scheißdrogen" seine Kindheit versaut haben. Nehmen wir all dies an, dann befinden wir uns in der lächerlichen Finsternis. Und zwar nur in einem kleinen Teil von ihr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: