Diskussion:Das Auge kauft ein

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Kunstsammler erzählen von ihrem Glück

Von Jürgen Moises, München

Sammler sind glückliche Menschen. Dieser Satz stammt angeblich von Goethe. Und er wurde so oft kolportiert, dass man das natürlich nutzen muss, wenn man wie der Kunstkritiker und Hörfunkautor Wilhelm Christoph Warning die Chance dazu hat, mit Herzog Franz von Bayern einen der bedeutendsten Münchner Sammler moderner Kunst danach zu befragen. Macht Sammeln also glücklich? Der Herzog gab das nicht direkt zu, sondern verwies auf seine Erfahrung, dass Kunst einen auch erschrecken kann. Und dass es manchmal Wochen braucht, um sich mit einem Bild "zusammenzuraufen". Aber bereut hat das Oberhaupt des Hauses Wittelsbach noch keinen Kauf. Doch, kurz. Da hat er auf dem Weg zum Skifahren schnell noch ein Bild gekauft. Aber ein Anruf genügte, und das Problem war aus der Welt.

Also niemals vor dem Skifahren Kunst kaufen? Das ist schon mal eine erste verwertbare Erkenntnis, welche die zweite "Zeugenbefragung" im Lesesaal des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZIK) zu Tage förderte. Die erste Befragung mit den Gästen Arnim Zweite und Katharina Sieverding lief bereits im Dezember unter dem Titel "Das Ende des 20. Jahrhunderts - Ein Richtungswechsel in der Kunst?". Bei der zweiten mit dem Thema "Wunderkammer Kunst - Über das Sammeln in den letzten 50 Jahren" kamen außer Franz von Bayern der ehemalige Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung Michael Semff und der Galerist Fred Jahn zur Wort. Auch sie haben keinen ihrer Kunstkäufe bereut. Im Gegenteil. Beide haben die Erfahrung machen dürfen, dass ein nach längerer Zeit wieder aus der Schublade gezogenes Werk manchmal noch stärker wirkt als bei der ersten Begegnung.

Was für Michael Semff beim Kunsterwerb den Ausschlag gab? "Mich mussten die Dinge immer sofort im Auge anspringen." Der Inhalt, alles Gedankliche kam später. Genauso sieht das Franz von Bayern: "Der Schlüssel ist immer das Hinschauen." Wobei er zugibt, dass ihm das Wort von Galeristen ebenfalls sehr wichtig war. Und genauso das, was die Ausstellungskataloge über die Kunstwerke verrieten. Seine über Jahrzehnte entstandene Sammlung an Publikationen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts hat der Herzog 2009 dem ZIK gestiftet. Diese zeichnen auf ihre Weise die Kunstgeschichte der vergangenen 50 Jahre nach. Genauso wie das noch unmittelbarer die gesammelten Werke tun, die neben ihrer jeweiligen Zeit auch immer die Persönlichkeit des Sammlers widerspiegeln. Was ihn damals "im Moment beschäftigt hat", das könne man, so Franz von Bayern, in den von ihm gesammelten Dingen entdecken.

Was hat sich in diesen Jahren in der Welt der Sammler verändert? Und wie wird es weitergehen? Klar, die Kunst ist teuer geworden, aber gleichzeitig sind laut Semff dank privater Unterstützer die finanziellen Mittel der Graphischen Sammlung gestiegen. Eine doch eher privilegierte Position im Vergleich zu Fred Jahn, der schon immer alles, was er zeigt, selbst erwirtschaften musste. "Selbst bei ausverkauften Ausstellungen bleiben wir oft unter den Brutto-Kosten." Ein anderer Beruf als der des Galeristen kam für ihn trotzdem nie in Frage, "weil mir diese Art der Kommunikation am meisten liegt". Weswegen er hofft, dass er "das intime Format der Galerie weiter erhalten kann". Und Herzog Franz von Bayern? Der freut sich, dass seine vormals private Bibliothek nun von anderen und vor allem jungen Menschen "gebraucht wird".

Eine Aufzeichnung der "Zeugenbefragung" zeigt der Sender ARD-alpha in der Sendereihe "Denkzeit" am 2. April um 22.30 Uhr.

© SZ vom 01.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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