Die Simpsons im Kino:Homer ist es wurscht

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"Intellektueller Kulturschocker, jetzt auch im Kino!" - Homer würde sich am Hintern kratzen, wenn er hören könnte, was man über ihn sagt.

Susan Vahabzadeh

Eines von dreizehn Springfields in den USA, jenes in Vermont, hat das Rennen gemacht als Heimatstadt der Simpsons. Als wäre Springfield nicht überall. Ein Bild des gewissenlosen Kapitalismus, in dem die Mächtigen an der Macht bleiben, weil es dem White Trash zu ihren Füßen wurscht ist. Das Familienoberhaupt Homer Simpson ist der beste Beleg dafür, dass das größte Problem im Kampf für das Proletariat das Proletariat ist.

Wenn das Hausschwein zum Ungeheuer wird: Notsituation im Simpsons-Film. (Foto: Foto: dpa)

Homer würde sich am Hintern kratzen, wenn er hören könnte, was man über ihn sagt - er wurde zum intellektuellen Kulturschocker geadelt, man rückt ihm mit Marx und Heidegger auf den Leib. Und der Einzug der Simpsons in die Filmpaläste wird ersehnt und vorab gefeiert, als wäre ein epochales Meisterwerk zu erwarten. Der Ursprung der Begeisterung ist, dass alles, was in "Die Simpsons" hineinprojiziert wird, tatsächlich mehr ist als nur aufgepropfte Interpretation. Man kann "Die Simpsons" als gesellschaftskritischen Geniestreich sehen, zur Not aber auch als Kinderquatsch.

Das Personal in "Die Simpsons - Der Film" besteht aus alten Bekannten, und es geht, mehr denn je, um Ökoverbrecher. Nur arbeitet, merkwürdigerweise, Homer nicht mehr im Atomkraftwerk. Er lungert jetzt ganztags auf dem Sofa herum, mit seinem neuen Hausschwein. Im Weißen Haus ist eine Art totalitäres Regime am Drücker, das den Krieg gegen den Terror auf die nächste Stufe gehoben hat: Tod den Umweltsündern. Springfield ist inzwischen so verrottet, dass der See umzukippen droht, was Homer mit einem Silo voller Schweineexkremente prompt herbeiführt. Der Schandfleck Springfield - und um diese Rolle haben sich dreizehn Städte beworben! - wird von der Landkarte getilgt und mit einer Riesenglocke versiegelt, die sich Präsidentenberater Cargill, hauptberuflich Großindustrieller, teuer bezahlen lässt. Waaaaa!

Die Simpsons sind, schon als Fernsehserie, Wahnsinn mit Methode, subversiver Blödsinn, der davon ausgeht, dass die Angst, die Tabuzonen, die höfliche Vorsicht Mütter allen Übels sind. Marge und das bildungshubernde Töchterchen Lisa bringen gelegentlich einen ernsthaften Ton in die Geschichten, was von Homer und dem Sohn Bart - ay, caramba - sofort mit Blödelei pariert wird. Und nur jene Gedanken, die die Veräppelungsprozedur überstehen, sind es wert, gedacht worden zu sein. Das ist das subversive Element in Matt Groenings scheußlichem kleinen Universum mit seinen gelben Geschöpfen - es zollt keinem Respekt. Dass etwas dran ist an dieser Methode, sich immer über alles lustig zu machen, erkennt man daran, dass "Die Simpsons" mit immer neuen Gaststars aufwarten, denen es eine Ehre ist, sich öffentlich auf die Schippe nehmen zu lassen. Der Simpsons-Vater Groening gab unlängst gar zum besten, wie der Tycoon hinter dem Fox-Imperium, Rupert Murdoch - die "Simpsons" sind als Film und Serie ein Fox-Produkt - bei der Stimmaufnahme sich im Studio hat schwach anreden lassen vom Regisseur, den er mit vernichtendem Blick strafte. Macht nichts. Nur nicht einschüchtern lassen.

Wer regiert, liest nicht

In der Filmversion ist das alles ein bisschen milder, die Simpsons waren schon bösartiger - als habe sich Groening dann doch ein wenig einschüchtern lassen von der Verantwortung, der vom Blockbuster-Kino geforderten Massentauglichkeit. Aber der fast traditionelle Schwenk ins Weiße Haus ist trotzdem sehr schön: Dort ist man in der Machtfrage schon einen Schritt weiter. Arnold Schwarzenegger ist Präsident und weiß vor allem eines: Er wurde nicht gewählt, um zu lesen. Ein bisschen so ist der ganze Film - sehr hübsch, aber nicht epochal, nicht mal gemessen an den Fernsehsimpsons. Warum man dann einen Simpsons-Kinofilm braucht, was mehr dran ist als eine Triplefolge, als Public Viewing? Die Frage stellt sich der Film sogar selbst: Er beginnt mit einer Szene, die gleichermaßen selbstironisch und selbstbewusst ist - die Familie Simpson guckt sich im Kino eine Leinwandfassung von "Itchy und Scratchy" an - das ist, für Uneingeweihte sei es erklärt, die Lieblingscartoonserie der Cartoonkinder Bart und Lisa. Homer stürmt aus dem Kino, weil er nicht einsehen will, warum man für etwas Eintritt zahlen soll, was auch im Fernsehen zu haben ist. Das ist ein prima Einstieg; aber die Frage, was die Simpsons im Kino verloren haben, steht danach immer noch fast neunzig Minuten lang unbeantwortet im Raum.

Das Trickfilmuniversum ist ohnehin phantastisch und grenzenlos, die Simpsons sind seit fast zwanzig Jahren auf ihre Ästhetik festgelegt, und es gibt im Film nur ein paar Szenen, die tatsächlich die Leinwand brauchen, um richtig zur Geltung zu kommen - wenn sich beispielsweise die gigantische Kuppel über Springfield senkt. Aber schon das mutierte Eichhörnchen mit den zwei Dutzend Augen, das der springfieldschen Kloake entsteigt, kommt einem irgendwie bekannt vor. Das heißt nicht, dass mit diesem Film etwas nicht in Ordnung wäre, sondern bloß, dass es ihn irgendwie schon gibt. Als hätten sich die Simpsons selbst nicht zu toppen gewusst.

Flanders als Ersatzpapa

Außer vielleicht in jenen Momenten, wenn Bart Homers laxe Blödeleien zu viel werden und er sich einen liebevollen Vaterersatz sucht. Der Produzent der Simpsons ist schließlich James L. Brooks - das ist jener Filmemacher, der der Welt "Zeit der Zärtlichkeit" beschert hat. Groening sagt, er wollte einen Simpsons-Kinofilm, weil er sich zurücksehnte zur echten Emotion - und wenn sich Bart an seinen Ersatzdaddy kuschelt, ist das tatsächlich richtig rührend. Obwohl er sich dafür ausgerechnet den lächerlichen Nachbarn Flanders ausgesucht hat. Flanders zum Trotz ist das aber alles ganz ernst gemeint. Kino hat vielleicht auch mit dem Mut zum Pathos und zum Melodram zu tun, damit, dass Emotionen, die im Fernsehen ganz nebensächlich aussehen, im Kino plötzlich ihren Platz auf der Skala für wichtige Grundweisheiten zurückerobern. Und da erheben sich die Simpsons doch ein wenig über sich selbst.

THE SIMPSONS MOVIE, USA 2007 - Regie: David Silverman. Buch: Matt Groening, James L. Brooks, Al Jean u.a. Musik: Hans Zimmer. Fox, 87 Minuten.

© SZ vom 25.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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