Die Rückkehr von Dirty Harry:Aufschwung Schmidt

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Das Fernsehen hat wieder, was zwölf Monate lang fehlte: Harald Schmidt ist zurück auf den deutschen Bildschirmen. Eine Kritik von Christopher Keil

Er kam im schwarzen Anzug, trug einen am Morgen salonfähig-rasierten grauen Vollbart, und die Haare fielen - gut onduliert - bis auf Schulterhöhe. An den Trailer, der künftig Harald Schmidt in der ARD ankündigt, an den Klang der öffentlich-rechtlichen Melodie, muss man sich gewöhnen.

Am Gastgeber war alles sofort vertraut. Er erinnerte nur kurz an seine Weltreise und hielt sich ansonsten in seiner Premiere überhaupt nicht mit der Pause auf. Sein Hauptthema war: Die Depression ist vorüber. Aufschwung Deutschland also, was am Ende zu einer im Sextaner-Englisch vorgetragenen Werbung führte: Lieber globaler Rest, "we are no longer Nazis", und das Allerbeste: ,,We have no Opposition". Für diese Pointe brauchte er indes ungewöhnlich lang.

Bis dahin war ihm ein sanft getriebener Vortrag alter und erwarteter Klasse gelungen. Man bekam am Donnerstag Abend für 45 Minuten vor den Tagesthemen politisches Kabarett, zynische Improvisations-Miniaturen und unverwechselbare Sprachbilder. Schmidt hat sich nicht neu erfunden - doch er machte, für eine breite Minderheit so genannter Meinungsführer, das Fernsehen, das zwölf Monate fehlte.

Sofort nach der Begrüßung hatte er sich die Stichwörter "Föderalismus" und "Billigstrom" vorgelegt, kokettierte mit seinem Elmar-Gunsch-Look, nahm den Dialog mit Manuel Andrack auf, der wie früher auf den Stichworteinsatz wartete, und präsentierte die ARD Show Band. Sie ist bei genauer Betrachtung die frühere Sat1-Kapelle, nur Bandleader Helmut Zerlett fehlt. "Irgendwelche Änderungen bei uns?", fragte Schmidt. "Reformen", erwiderte Andrack.

Keine Interviewgäste mehr

Zum Beispiel? 101 Menschen im Studio, aber keine Interviewgäste mehr. Der Grund sei "das Ende von Viva", verkündete Schmidt: "Deutschlands größtes Schlampenreservoir wurde stillgelegt." Mittendrin gratulierte er dem Altkanzler Helmut Schmidt zum 86. Geburtstag, dann Rudi Carrell zum 70. und bemerkte: "Ich gehöre ja einer Generation an, die beide noch unterscheiden kann." Im weiteren Verlauf ging es um ARD-Programmchef Günter Struve ("Werte, Werte, Werte"), aber nicht um Laurenz Meyer.

Dafür erschien beim großen Test "Wie fit ist Harald für Deutschland?" die Grüne Claudia Roth im Bild. Das sei Goleo, unser WM-Maskottchen, tippte Schmidt, woraufhin ein Stofflöwe ohne Hose zu sehen war. Schmidt: "Ah, das ist Goleo. Der sieht aber ein bisschen so aus, als habe die Mutter während der Schwangerschaft geraucht."

Dabei sog er an einer Pfeife, mit der er sich dekorierte, weil Deutschland wieder das Eppler-hafte brauche. Und weil ja Harald Schmidt bei der ARD ist. Mit Claudia Roth hatte das sicher nichts zu tun.

© SZ vom 24.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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