Udo Jürgens und eine Kreuzfahrt - passt das zusammen? Zumindest spielte er 1990 in der "Traumschiff"-Folge "Florida" mit, natürlich spielte er sich selbst. In einer Szene klimpert der Barde am weißen Bord-Flügel vor sich hin. Da schleicht Klausjürgen Wussow heran, als ein Starpianist, der die Karriere wegen seines unheilbar kranken Sohnes aufgegeben hat. "Warum weiß eigentlich keiner, was für ein großartiger klassischer Komponist Sie sind?", fragt Wussow. "Irgendwann habe ich erkannt, wo mein Talent liegt", antwortet Jürgens etwas gestelzt, so dass jeder merkt, dass sein Talent auch nicht im Schauspiel lag.
Udo Jürgens soll immer vom Broadway geträumt haben. Er verehrte das Musical als "wunderbare Kunstform", weil sich das Publikum "nach solchen verständlichen und emotionalen Geschichten" sehne. Geschichten, wie er sie in der Kürze seiner Lieder erzählen konnte. "Er war glücklich als Solo-Künstler", sagt Stephan Jaekel von der Show-Fabrik Stage Entertainment, "ohne unseren Anschub hätte er wohl nie ein Musical gemacht." Jaekel war 2003 dabei, als eine Delegation Jürgens besuchte und ihm die erste Idee von einem Bühnenstück unterbreitete. "Es geht nicht um Ihr Leben", sagte Jaekel. "Das wäre auch meine Bedingung", antwortetet Jürgens. Stattdessen wollte man aus 1000 Liedern des Klagenfurter Weltstars 20 auswählen und zu einer ganz neuen Geschichte montieren - nach dem Vorbild von "Mamma Mia!". Ein ans Herz gehendes Generationen-Gezeter wie das in Griechenland spielende Abba-Musical ist auch "Ich war noch niemals in New York", rein von der Handlung her wäre man mit einer Folge Traumschiff genauso gut bedient. Tatsächlich ist es vor allem Udo Jürgens Beitrag, der das üppig ausstaffierte Werk mit 31 Darstellern und zehn Musikern veredelt und zum erfolgreichsten in Deutschland entwickelten Musical gemacht hat. Vier Millionen Gäste waren es in Hamburg, Wien, Zürich und Tokio.
Bei allen Premieren und weiteren Vorstellungen war Jürgens dabei. Auch im Deutschen Theater München war man in großer Vorfreude auf seinen Besuch, auf den Glanz, den er in das Haus bringen würde. Dann starb Jürgens im Dezember 2014 mit 80 Jahren. Für den Glanz sorgen beim dreimonatigen Gastspiel zumindest im Oktober die 79 Jahre alten Kessler-Zwillinge, die sich die Rolle einer mit ihrem Altersheim-Freund mit dem Kreuzfahrtschiff nach New York durchbrennenden Seniorin teilen.
Früher wählte Jürgens die Darsteller mit aus. Er half beim Umarrangieren seiner Stücke. Und er segnete alle Regie-Ideen ab, wie sich Carline Brouwer erinnert, die die neuste Fassung aufgepeppt und textlich gekürzt hat und nun "noch mehr auf die Lieder vertraut". Die Schlacht am Kuchenbuffet mit Passagieren in Fett-Anzügen zu "Aber bitte mit Sahne", den Behauptungs-Tanz eines schwulen Paares gegen seine Mitbewohner in "Ein ehrenwertes Haus", "Griechischer Wein" mit Travestie-Touch, all dies gefiel Jürgens als Klamauk oder kritisches Statement. Nur jegliche Albernheiten mit "Merci, Cherie" lehnte er ab. "Das wollte er ungebrochen - es war sein Siegerlied", sagt Brouwer.
Dabei klebte Udo Jürgens nicht an seinen Chansons, erinnert sich Karim Khawati, der sich beim Maître bisweilen Rat für seine Hauptrolle, den Macho Axel Staudach, einholte. "Seine Lieder sind nicht leicht zu singen, oft muss man frei erzählen, dann wieder zur Melodie finden. Ihn zu imitieren würde ich mir aber nie anmaßen, schon aus Respekt." Udo Jürgens selbst hat es genossen, wie er sagte, sich bei den Vorstellungen zurückzulehnen und von seinen Songs zu lösen und sie im "Dienste eines Theaterstückes zu sehen. Ein Traum wird wahr."
Ich war noch niemals in New York , Premiere: Donnerstag, 8. Oktober, 20 Uhr, Deutsches Theater, Schwanthaletrstr. 13 , bis 3. Januar 2016