Deutsches Kino und Fernsehen:Das große Fressen

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Von Brechts Bettlerkönig bis zum Witwer: Schauspieler Joachim Król hat Appetit auf tolle Rollen, in München stellt er drei neue Filme vor. Ein Gespräch über seine Rückkehr an die Isar und knifflige Gesangsparts.

Interview von Josef Grübl

Von Schauspielern heißt es, sie betteln stets um Aufmerksamkeit. Einer von ihnen führt im Eröffnungsfilm des Filmfests in "die hohe Schule der Bettelkunst" ein: Joachim Król spielt in Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm den Bettlerkönig Peachum. Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich der 61-Jährige aktuell nicht beklagen: Er hat mit Die Auferstehung und Endlich Witwer noch zwei weitere Werke im Filmfest-Programm.

SZ: Für das Filmfest kehren Sie nach München zurück. Erinnern Sie sich noch an Ihre Zeit an der Schauspielschule?

Joachim Król: Klar, in den Achtzigerjahren war München aber noch ganz anders. Ich bin damals aus dem Ruhrgebiet hergekommen und war ganz schockiert über die Sperrstunde, nach ein Uhr hatte ja kein Lokal mehr auf. Es gab auch nur wenige Clubs - und das mit den Türstehern kannte ich schon gar nicht.

War das denn in Ihrer Heimatstadt Herne anders?

Ja, natürlich. Das Nachtleben dort hatte eine ganz andere Taktung. Aber ich kam ja wegen der Otto-Falckenberg-Schule nach München. Das war eine riesige Chance für mich, also habe ich diesen Sprung gemacht. Eigentlich bin ich sehr verwurzelt oben im Westen. In meinen ersten Jahren habe ich nicht viel von München mitbekommen, diese Zeit war sehr geprägt vom Zusammenhalt in der Klasse und der Überprüfung meines Berufswunsches.

Das mit dem Berufswunsch hat ja geklappt, Sie sind gut im Geschäft. Jetzt spielen Sie in einem Brecht-Film mit. Was haben Sie für einen Bezug zu Brecht?

Kurioserweise habe ich noch nie Brecht gespielt. Auch nicht auf der Bühne, obwohl er bei uns an der Schauspielschule immer ein großes Thema war. Als ich den Film jetzt zum ersten Mal auf großer Leinwand gesehen habe, bekam ich richtig Gänsehaut, weil sich manche Texte so unglaublich aktuell anhören. Brecht wird als politischer Autor gerade wieder entdeckt. Sein Satz "Erst kommt das Fressen, dann die Moral" hat selbst heute noch Gültigkeit.

Ist der von Ihnen gespielte Peachum nicht dem Proletariat verpflichtet?

Na ja, das ist sein Geschäftsansatz. Dazu muss ich Ihnen eine Geschichte erzählen: Wir haben unter anderem in Gent gedreht, da diente uns eine leer stehende Halle an einem historischen Platz als Garderobe für Statisten. Diese sind morgens in die Halle reingegangen, um dann als Bettler wieder rauszukommen. Eines Tages stand die belgische Polizei vor der Tür, weil sich die Nachbarn beschwert hatten. Ihr Vorwurf war, dass da normale Bürger zu Bettlern gemacht werden, um Geschäfte zu machen. Das ist derselbe Blick auf die Gesellschaft und die Verhältnisse, wie Brecht sie auch schon hatte. Ist das nicht verblüffend?

Heute haben die Leute Angst vor osteuropäischen Klaubanden. Da gibt es auch Verschwörungstheorien über Beinprothesen oder mafiöse Strukturen.

Für Peachum ist Mitleiderregen aber ein hoch qualifiziertes Handwerk. Das muss man erst einmal erlernen. Es gibt auch klare Bettlerkategorien für ihn, je nach Begabung werden diese dann eingesetzt.

Sie singen im Film auch. Haben Sie sich darauf besonders vorbereitet?

Oh ja! Sie müssen wissen, dass die Ansprüche der Weill-Gesellschaft, welche die Rechte an der Musik hält, sehr hoch sind. Sie erlauben noch nicht einmal Oktavierung. Man muss also die Lieder genau in der vorgesehenen Tonart singen - und das war nicht unbedingt meine Tonart. Also habe ich Gesangsstunden genommen.

In "Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm" geht es auch um den Kampf zwischen Kreativen und kommerziellen Interessen. Wie oft haben Sie das schon in Ihrer Karriere erlebt?

Hui, da begeben wir uns jetzt auf dünnes Eis. Diese Diskussion gibt es, glaube ich, bei jedem Film. Wirklich bei jedem. Sie ist auch notwendig. Ein Produzent muss eben aufs Geld schauen. Die Frage ist meist, wie weit man gehen kann und möchte. Welche Notwendigkeiten es gibt und welches Bild man vermitteln will. Der Einfluss von uns Schauspielern ist daher gering, wir stehen ganz am Ende der Nahrungskette.

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Als viel beschäftigter Schauspieler haben Sie doch stets die Wahl: Sie können sich aussuchen, mit wem Sie arbeiten wollen - und ob diese Leute sich durchsetzen können.

Da muss ich Ihnen jetzt aber auch sagen, dass der Satz mit dem Aussuchen durch häufiges Zitieren nicht wahrer wird. In der Realität ist das mit viel mehr Bescheidenheit verbunden.

Haben Sie als großer Fußballfan derzeit überhaupt Zeit für ein Filmfest?

Ja, natürlich. Ehrlich gesagt, gehe ich auch sehr reserviert an diese WM heran.

Weil Sie in Russland stattfindet?

Da kommen mehrere Dinge zusammen. Natürlich bin ich mit dem Austragungsort nicht einverstanden, auch mit dem nächsten in Katar nicht. Mir hat dieses Vorspiel mit Gündoğan und Özil nicht gefallen, dann dieser ganze Transferwahnsinn - irgendwie ist da der Wurm drin. Selbstverständlich habe ich das erste Spiel unserer Mannschaft gesehen, das war an meinem Geburtstag. Freunde waren zu Besuch, und wir schauten bei mir zuhause gemeinsam das Spiel. Wir hatten einen sehr schönen Tag, trotz des Ergebnisses.

Und wer wird Weltmeister?

Da möchte ich keinen Tipp abgeben, seien Sie mir nicht böse.

Joachim Król kommt zu den Premieren seiner drei Filme. Er ist auch zu Gast bei Filmmakers Live am Fr., 29. Juni, um 18 Uhr in der Black Box/Gasteig

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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