Deutscher Fernsehpreis:"Was ist das für ein Land?"

Lesezeit: 3 min

Deutscher Fernsehpreis als Günther-Jauch-RTL-Festspiele

Es gibt inzwischen eine ordentliche Menge von Anweisungen, wenn man für den Deutschen Fernsehpreis nominiert ist. Die trudeln schon lange vor dem Ereignis beim potenziellen Preisträger ein und definieren genau, wie man sich im Falle einer Ehrung zu verhalten hat. So soll bei ausgezeichneten Grüppchen tunlichst nur einer reden und, bitteschön, nach 30 Sekunden fertig sein. Schließlich will man die Zuschauer der Verleihungszeremonie nicht so langweilen, wie das in den Vorjahren oft geschehen ist, als nicht nur Vati und Mutti und das Team und der Sender, sondern oft auch noch die Putzfrau und der Taxifahrer einer dankenden Erwähnung anteilig wurden. Die Vergabe der Trophäen streckte sich so meist auf dreieinhalb Stunden.

Niemand glaubte allerdings ernsthaft daran, dass es in diesem Jahr anders werden würde, zumal mittlerweile 30 Preise, inklusive einer Lebensleistungsehrung für Rudi Carrell, zu vergeben waren, weshalb sich das Gros der 1500 Gäste im Kölner Coloneum schon wieder auf Jubelexzesse eingestellt hatte. Umso erstaunter war man, als nach zweieinhalb Stunden zum Schlussbild mit Preisträgern gebeten wurde. "Wir waren eine Stunde früher fertig als geplant", wunderte sich sogar Moderator Günther Jauch.

Offenbar haben die vorab versandten Anweisungen ihre Wirkung entfaltet. Wenn ARD, ZDF, RTL und Sat 1 als Ausrichter des Fernsehpreises so etwas anordnen, dann widersetzt man sich als Kreativer nicht, dann lässt man allenfalls kurz die Luft aus den Backen, wenn der eigene Name aus den Lautsprechern quillt. Und bewegt sich gemessenen Schrittes Richtung Bühne, lässt sich kurz vom Laudator mit einem knapp zwei Kilo schweren Glas-Obelisken dekorieren, tritt ans Mikro und spult lässig ein paar Namen und vielleicht einen Kalenderspruch wie "Jedes Ding hat seine Zeit" (Peter Kloeppel) herunter. Abgang.

Da ist es schon fast rührend, wenn der als bester Fernsehfilm-Schauspieler ausgezeichnete Edgar Selge (Polizeiruf 110) an der Fassade kratzt: "Ich freue mich ganz wahnsinnig, auch wenn man es nicht sieht." Völlig aus der Rolle fällt nur Komiker Atze Schröder, dessen Sitcom Alles Atze alles andere schlägt. Wild hüpfend tobt er zur Bühne, springt seinen Laudator Mike Krüger an und brüllt ein markiges "Rock'n'Roooooooll" in Richtung all der brav drapierten Smoking-Fliegen und der in diesem Jahr besonders tief ausgeschnittenen Dekolletees. "Was ist das für ein Land, in dem Leute wie ich einen Preis gewinnen können?", fragt er und ist damit nicht allein. Tja, die Komiker. Machen keine Briefe auf und haben deshalb keine Ahnung, wie man sich im Fernsehen uniform verhält. Wahrscheinlich zu viel Oscar-Verleihung geguckt.

Aber der diesjährige Fernsehpreis ist kein Oscar. Er ähnelt eher einer beschleunigten Zeugnisausgabe: kein Showfirlefanz, nur die Noten. Zwischendrin macht der als Moderator getarnte Direktor Jauch deutlich, dass im deutschen Fernsehen vieles miteinander und vor allem mit ihm zusammenhängt. Mit dem für die beste Comedy ausgezeichneten Harald Schmidt verbindet ihn eine innige Freundschaft, und der als bester Unterhaltungsmoderator (Die 70er Show) erkorene Hape Kerkeling ist ihm als Angestellter seiner Produktionsfirma ebenso gut bekannt wie der nominierte Oliver Geissen. Schließlich moderiert Jauch mit den beiden bei RTL fast alle Shows außer dem als beste Unterhaltungssendung erwählten Superstar weg. Da wirkt es nur logisch, dass Jauch gleich auch noch den Zuschauerpreis mitnimmt, und niemand fragt: "Alles Jauch, oder was?"

Hinterher sind fast alle zufrieden, weil sich die Jury außer der Nominierung für Lenßen & Partner keine großen Fehlentscheidungen geleistet hat und wohl auch, weil die Kategorienliste vorsorglich so erweitert wurde, dass RTL als ausrichtender Sender richtig abräumte. In insgesamt 30 Kategorien gingen elf Preise an die Kölner, neun hat die ARD. Kloeppel erhält endlich den Preis, den er 2002 für die 11. September-Leistung verdient hatte und schlägt damit WDR-Moderator Frank Plasberg als verdienten Anwärter aus dem Feld. Der freut sich aber auch, weil seine Hart aber fair-Runde als beste Informationssendung endete.

Im Schatten steht diesmal das ZDF, das nur mit Senta Bergers Fernsehfilm Unter Verdacht und beiden Förderpreisen punkten kann. Damit das im nächsten Jahr, wenn das ZDF die Verleihung ausrichtet, nicht wieder passiert, könnte man erneut an einer Ausweitung der Kategorien arbeiten. Oder man lässt einfach neu zu schaffende Abteilungen wie "Beste Harald Schmidt Show" oder "Beste Günther-Jauch-Tat" außer Konkurrenz laufen.

HANS HOFF

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: