Der TV-Abend des Papst-Todes:Stirb langsam - ohne Unterbrechung

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Ganz im Zeichen Roms - und wieder nicht. Wie die TV-Sender mit einem relativ vorhersehbaren Ereignis umgegangen sind.

HANS HOFF

Die deutsche Fernsehunterhaltung an einem Samstag ist schon an normalen Wochenenden eine ziemlich skurrile Angelegenheit.

Sie wird noch ein bisschen seltsamer, wenn man ahnt, dass an just so einem Samstagabend etwas historisch Bedeutsames geschehen könnte. Man schaltet ein und sieht Jörg Pilawa, wie er im Ersten fragt, ob ein Glas Wasser mehr Gewicht auf die Waage bringt, wenn man einen Finger rein hält. Im Zweiten nötigt Carmen Nebel die Schlagersängerin Mary Roos, mit einem riesigen Fleischmesser ein Butterbrot zu schmieren. Butterbrotschmieren als Familienunterhaltung am Abend. Darauf muss man erst mal kommen.

Bei RTL fragt erst Günther Jauch, was denn ein Scherflein ist, bevor Thomas Gottschalk einen Echo-Preis an die Sängerin Anastacia übergeben darf. Bei Sat 1 muss derweil der Comic-Unhold Shrek eine schöne Prinzessin befreien, und bei Pro Sieben läuft ein so genanntes Erotik-Drama mit dem Titel Eiskalte Engel. Der Titel schlägt ein bisschen aus dem Takt, weil der Papst im Sterben liegt.

Aber das ist ja noch gar nichts, denn es folgt ein Actionthriller mit Bruce Willis.

Der heißt Stirb langsam 2 und bleibt bei Pro Sieben tatsächlich im Programm, auch nachdem um zehn vor zehn alle größeren Sender die Unterhaltung unterbrechen, weil der Heilige Vater tatsächlich gestorben ist.

Der BR stoppt Die Firma mit Tom Cruise, für ihren PISA-Pilawa wird die ARD tags darauf einen Nachholtermin versprechen, Sat 1 holt n24 und damit Dieter Kronzucker. Man hat bei Pro Sieben in den vergangenen Monaten einiges an Unverfrorenheit erlebt (Die Alm, Die Burg) und mitbekommen, wie eiskalt die neuen Herren kalkulieren.

Für einen Moment wünscht man sich an diesem Abend tatsächlich den alten Eigner zurück. Unter Leo Kirch wäre das nicht passiert.

Hinter den Kulissen wird man sich bei Pro Sieben trotzdem die Hände reiben, erreichte der Willis-Thriller doch die für den Kleinsender ziemliche sensationelle Quote von 13,8 Prozent, was 3,17 Millionen Zuschauern entspricht. Derweil liefern die etwas seriöseren Sender durchweg ordentliche Berichte, Korrespondentenaufsager, Interviews und Gesprächsrunden aus Rom, Köln und Krakau, was die Zuschauer mit Quoten zwischen 17,6 (ARD) und 9,9 Prozent (RTL) honorieren.

Aus dem Unterhaltungssamstag wird die Nacht der archaischen Zeichen. Das ZDF hat um 22.38 Uhr Mut, der Stimmung auf dem Petersplatz bei den ersten Glockenschlägen eine Weile kommentarlos Raum zu lassen.

Nachdem die Glocken geläutet haben und der Tod des Papstes offiziell ist, bleiben die Öffentlich-Rechtlichen bei der Trauer -- vor Ort in Rom oder mit Dokumentationen aus dem Leben Karol Wojtylas. RTL und Sat 1 kehren irgendwann zurück zum Geldverdienen, verleihen weiter Echos oder blödeln Genial daneben.

Bei Pro Sieben läuft immer noch Stirb langsam 2.

Leo hilf.

© SZ vom 4.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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