Der neue Spielberg-Film:Terror light

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"Munich" sorgt schon vor dem US-Start für heftige Debatten. Zeigt Spielberg zu viel Gewalt? Verrät er gar den Staat Israel? Die Oscar-Nominierung löste Protest aus.

Fritz Göttler

Steven Spielberg ist der verlorene Sohn von Hollywood. Der Mann, der sich mit "Schindlers Liste" und der Einrichtung der Survivors of the Shoah Visual History Foundation 1994 Respekt in aller Welt verschafft hat, der die Erinnerung an den Holocaust und seine Überlebenden zu einer persönlichen Aufgabe machte, steht dieser Tage am Pranger.

Steven Spielberg wurde für seinen Film "Munich" harsch kritisiert, aber auch für die Academy Awards nominiert. (Foto: Foto: rtr)

"Wir haben Spielberg verloren", schreibt Jack Engelhard, "Spielberg ist kein Freund Israels, Spielberg ist kein Freund der Wahrheit." Sein Film "Munich" mache es sich zu leicht mit dem heiklen Thema Terror und Gegenterror, heißt es in diversen Artikeln, die bereits vor dem morgigen US-Start erschienen sind.

Implizit wird erneut Hollywoods Fähigkeit infrage gestellt, politisch differenzierte Filme zu machen. "Spielberg weiß zu überwältigen", schreibt Leon Wieseltier, der gefürchtete radikale Mann der New Republic - "aber ich bin es leid, überwältigt zu werden". Von da ist es dann nicht weit zu den Vorwürfen der Manipulation, der Demagogie.

Nahostexperten angeheuert

Den Filmemacher Spielberg kennt alle Welt, den politischen Menschen Spielberg hat vor zwei Wochen im Time Magazine zu präsentieren versucht, exklusiv, mit einer Coverstory von Spielbergs Freund Richard Schickel und einem Interview.

Bis dahin hatte man nur Vages über das Projekt gehört - nach einem kurzen, eher kryptischen Statement Spielbergs beim Drehbeginn im Sommer wurde der Set abgeschottet: keine Interviews, keine Besuche beim Dreh. Selbst in diesen Tagen, da andere Studios zur Attacke für die Oscar-Nominierungen blasen, hält sich die PR für "Munich" merklich zurück.

Man hat immerhin Dennis Ross angeheuert, der einer der Nahostexperten von Bush sen. und Bill Clinton war, und, für den Start des Films in Israel im Januar, Eyal Arad, einen von Sharons erfahrensten Strategen.

Geschichte des Olympia-Attentats

Spielberg erkennt die Mission an, von der sein Film erzählt - als nach dem Attentat bei den Olympischen Spielen 1972 in München der israelische Geheimdienst Mossad Killerkommandos losschickte, um die verantwortlichen palästinensischen Terroristen zu töten.

Aber ein Mord bleibt ein Mord, eine brutale, auch den Täter zerstörende Sache - und "Munich" zeigt, wie sein Held Avner, gespielt von Eric Bana, versucht, bei seinem Tun "seine Seele intakt zu halten". Den Terror mit Gegenterror zu beantworten, sagt Spielberg, führt in einen ausweglosen Sumpf. Nur Miteinanderreden kann eine Lösung bringen.

Als naiven Idealismus, der die politischen Realitäten verkennt, brandmarken die Spielberg-Kritiker diese Haltung, an der Spitze Leon Wieseltier sowie David Brooks in der New York Times. Die Realität aber ist, so Brooks, "dass es eine Gewalt gibt, die konstruktiv ist, und eine, die destruktiv ist".

Spielberg aber bringt die verschiedenen Formen der Gewalt auf ein Niveau, wenn er Mossad-Leute zeigt, die an ihrem Job irre werden. Wenn er in einem merkwürdigen nächtlichen Dialog einen jungen Palästinenser Avner gegenüber von seiner Sehnsucht nach Heimat sprechen lässt - ein uramerikanisches Thema.

Eine "inkorrekte moralische Gleichung" findet Ehud Danoch, Generalkonsul in Los Angeles, wie hier das Recht des Staates Israel auf Gegenwehr verglichen wird mit dem anarchischen Terror der Palästinenser. Die Schaffung dieses Staates habe Tony Kushner als einen Fehler bezeichnet, erwähnt Leon Wieseltier in seinem Artikel - und macht so den renommierten Dramatiker und Drehbuchautor von "Munich" als den eigentlichen Feind in der Debatte aus.

"Ein dirty little picture"

Noch hat die ganze Diskussion freilich das eigentliche Zentrum nicht erreicht. Spielbergs "Munich" ist ein dirty little picture, das sein Recht beansprucht, mehr Verwirrung und Verstörung zu provozieren, als Fragen zu beantworten.

Die Tötungsaktionen sind hässlich, schäbig und gemein - was auch mit dem Arbeitsmodus der fünf Mitglieder des Teams zu tun hat, unter ihnen Daniel Craig, der neue Bond, und Hanns Zischler. Sie operieren manchmal unbedarft und unprofessionell, und machen sicher nicht den Eindruck von Überlegtheit und Überlegenheit, den der Mossad gern hätte. Sie leben in einer Art Kommune, einer kocht, der andere bastelt eine Bombe, vertut sich wohl mal in der Dosierung des Sprengstoffs, dazu wird über Gott und die Welt philosophiert.

Dass der Film, um über den Terror heute zu reflektieren, an dessen Ursprünge geht, wurde ihm als Schwäche ausgelegt. Spielberg habe Israel ans Kino verraten, schreibt Wieseltier. Er träumt offenbar von einer Unschuld, die Spielbergs Film nachdrücklich zerfetzt. Am Ende steht eine Skyline von New York, in der - noch - zwei Wolkenkratzer dominieren.

© SZ vom 22.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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