"Der Italiener" im Kino:Immer nur durchmogeln

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Nanni Morettis "Der Italiener" handelt - auch - von Silvio Berlusconi und kommt mit viel Verspätung in die deutschen Kinos. Veraltet ist er nicht, im Gegenteil: Schließlich handelt er von mentalen Abgründen in "Bella Italia".

Susan Vahabzadeh

Hätte Nanni Moretti einen Film über Berlusconi gemacht, wäre der jetzt schon Geschichte; er erzählt aber in ,,Der Italiener'' stattdessen davon, wie ein alternder Produzent einen Berlucsoni-Film nicht macht - eine lächerliche Figur, der langsam dämmert, dass es zum Über-sich-Hinauswachsen fast zu spät ist. Bruno (Silvio Orlando) ist eine Trashfilm-Legende, und die ollen Gruselstückchen, die er produziert hat, waren so schlecht, dass sie schon wieder Kult sind; aber mit Kult ist kein Geld zu verdienen.

Ein Italiener für alle? Filmproduzent Bruno Bonomo steht vor dem Bankrott, beruflich wie auch privat. (Foto: Foto: ddp)

Am Rande einer Ehrung für den grandiosen Müll, den er der Filmgeschichte hinterlassen hat, drückt eine junge Frau Bruno ein Drehbuch in die Hand. Weil er bald richtig pleite und allein ist, bietet er das ungelesene Drehbuch einem Sender an, der Berlusconi gehört; dass es sich bei dem Buch um ein Berlusconi-Bashing handelt, das merkt er erst, als ihn der zuständige Redakteur darauf hinweist.

Das wird nix; weswegen sich Bruno an einem Sandalenfilm versucht, der auch nichts wird. Und auch zu Hause gerät er ins Trudeln, wo seine Frau längst schon mit ihm fertig ist. Bruno ist eine schöne Figur, ohne Bitterkeit inszeniert - ein sympathisch bemitleidenswerter Clown. Manche der witzigen Momente in ,,Der Italiener'' leben von Morettis Sinn fürs Groteske, seinem lakonischen Humor; aber die Szenen vom Auseinanderbrechen der Familie wirken wie ein traurig-komisches Echo auf seinen vorangegangenen Film ,,Das Zimmer meines Sohnes'' aus dem Jahr 2001.

Nanni Moretti hat seinen Film ,,Der Italiener'' - ,,Il Caimano'' heißt er im Orginal, der Kaiman - im vorigen Jahr fertiggestellt, kurz bevor in Rom ohnehin die Regierung Prodi die Macht übernahm. Fünf Jahre lang hatte er sich aus dem Kino zurückgezogen, nun machte sich erst einmal der große Frust breit - denn der Film ist nicht das, was von Moretti erwartet, nachgerade verlangt wurde. Er haut Berlusconi nichts um die Ohren in diesem Film, dazu hatte er keine Lust. Was er gemacht hat, ist wesentlich allgemeingültiger als ein Auseinanderfieseln von krummen Deals, Amtsmissbrauch und Steuerbetrug.

Berlusconi war gewählt, und ,,Der Italiener'' handelt, am Beispiel von Bruno erzählt, davon, warum das eigentlich allen egal war. Morettis Bruno ist einer, der nie für irgendwas in seinem Leben die Verantwortung übernommen hat, es ging immer nur ums Durchmogeln, darum, mit dem geringsten Aufwand den besten Deal für sich selbst herauszuschlagen - so ist er mit seinen Freunden verfahren, seiner Frau und seiner Firma. Was das wesentlich nachhaltigere Bild der Ära Berlusconi ist - das einer Gesellschaft, die ihn sich zweimal zum Anführer wählte.

Selbstverliebter Taugenichts

Morettis fünfjährige Abstinenz wird durch seinen Film doch irgendwie erklärt. Die Filmbranche in ,,Der Italiener'' ist in all ihren Facetten fürchterlich. Bruno engagiert für seinen Sandalenfilm den Ex-Star Marco, den der selbst nicht mehr ganz taufrische Michele Placido genüsslich spielt: ein dicklicher, selbstverliebter Taugenichts mit weichlich verlebten Hängebäckchen, ein Möchtegern-Clark-Gable in albernen Seidenmorgenröcken, der für einen spektakulären Auftritt seine Großmutter verkaufen würde - und natürlich auch nur exakt so lang zu Bruno hält, wie sich nichts Besseres ergibt. Eine hübsch fiese Szene hat sich Moretti selbst auf den Leib geschrieben.

Bruno will einen großen Mimen als Berlusconi engagieren, und Moretti spielt selbstironisch seine erste Wahl: ein eitler Fatzke, genauso in sich selbst vernarrt wie alle anderen, bloß einen Tick klüger. Kino interessiert ihn nicht, sagt er großkotzig, und ein Film über Berlusconi schon gar nicht - was genau solle der denn erzählen, was nicht ohnehin schon in jeder Zeitung stand? Genau diesen Film hat Moretti verweigert. Andere haben ihn gemacht: ,,Bye Bye Berlusconi'' hieß das Ding, eine peinliche Ansammlung von Platitüden und kindischen Anspielungen.

Ein Fitzelchen des Films, den Bruno nie dreht, gibt es zu sehen in ,,Der Italiener''. Es handelt davon, dass Berlusconi mit allem, was er getan hat, nur deswegen durchkam, weil ihm das italienische Volk diese Macht freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Moretti spielt ihn selbst, und weil er ja Schauspieler und nicht Berlusconi-Imitator ist, hat er sich dafür nicht mal rasiert. Wenn man's richtig anstellt, ist in drei Minuten alles gesagt.

IL CAIMANO, I 2006 - Regie: Nanni Moretti. Buch: Nanni Moretti, Francesco Piccolo, Federica Pontremoli. Kamera: Arnaldo Catinari. Schnitt: Esmeralda Calabria. Mit: Silvio Orlando, Margherita Buy, Jasmine Trinca, Michele Placido, Nanni Moretti. Alamode, 112 Minuten.

© SZ vom 12.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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