Debatte um Urheberrechte:Der Kampf gegen Google

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Angst um die Kundschaft: Wie deutsche Verlage das Bücher-Scannen verhindern wollen und einen aussichtslosen Kampf gegen Google provozieren.

Ilja Braun

Die Internet-Suchmaschine Google scannt ganze Bibliotheksbestände ein, um sie für ihre Online-Volltextsuche verfügbar zu machen. Vielleicht sogar, um eines Tages im Printing-On-Demand-Verfahren vergriffene Bücher wieder zugänglich zu machen.

Wer scannt die Texte ein, wer darf sie verkaufen? Deutsche Verlage streiten um das E-Book. (Foto: Foto: ddp)

Aber müsste man da nicht die Autoren und Verlage fragen? Allerdings, dachten sich die US-Autorenvereinigung Author's Guild und die Association of American Publishers (AAP). Und nachdem Google zunächst recht lange nicht zugeben wollte, dass da urheberrechtlich etwas im Argen lag, hat es kürzlich einen durchaus spektakulären gerichtlichen Vergleich mit Autoren und Verlegern gegeben. Google hat 125 Millionen US-Dollar in einen großen Topf eingezahlt. Parallel dazu ist ein "Book Rights Registry" eingerichtet worden, in dem jeder Autor nachschauen kann, ob die Firma ein von ihm verfasstes Buch gescannt hat. Ist dies der Fall, erhält er garantiert 60 US-Dollar und kann selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang er es Google weiterhin erlauben will, sein Werk wirtschaftlich zu nutzen.

Gute Sache eigentlich - zumal damit nebenbei das Problem der "Copyright Orphans" gelöst ist, der "verwaisten Werke": Das sind Bücher, die längst nicht mehr lieferbar sind, bei denen aber die Rechteinhaber als unauffindbar gelten, weil die Autoren tot, die Erben verschollen oder die Verlage pleite gegangen sind. Das "Google-Settlement", wie die Einigung genannt wird, macht es möglich, dass diese Werke trotzdem wieder vermarktet und gelesen werden können.

In Deutschland ist eine solche Lösung noch lange nicht in Sicht. Zu groß ist bisher der Widerstand der Verlage gewesen, die in der "Google-Buchsuche" eine unwillkommene Konkurrenz sehen. Nicht bloß wegen der Volltextsuche, sondern eher wegen des E-Book-Geschäfts. Dass Google nämlich hier einen Fuß in die Tür bekommen möchte, ist kein Geheimnis. Dass die Verleger E-Books lieber selbst verkaufen würden, ist auch klar.

Und überhaupt: Was Google kann, würden die deutschen Verlage auch gern können. Der erste Gehversuch, den der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in diese Richtung unternommen hat, hieß 2005 noch, wenig sexy, "Volltextsuche online" und ist inzwischen in "Libreka" umbenannt worden. Die Seite blieb aber weitgehend unbekannt, weil zu wenige Titel zu finden sind. Wie sich herausstellte, waren die Verlage nicht imstande, dem Portal einheitliche Scans zu liefern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie lange es dauert, bis deutsche Autoren mit ihren Texten 60 Dollar verdienen.

Die Suchmaschinen hatten keine Lust, Geld zu zahlen, um die gescannten Bücher in ihre Ergebnislisten aufnehmen zu dürfen. Und als man sich entschied, aus dem Portal einen Online-Shop zu machen, gingen die Buchhändler, die der Börsenverein ebenfalls zu seinen Mitgliedern zählt, auf die Barrikaden. Die hatten nämlich Angst um ihre Kundschaft. "Libreka" gibt es noch, aber viel los ist da nicht. Beworben wird es jetzt mit dem Slogan "Ich find dich besser". Alle anderen aber scheinen die Google-Buchsuche besser zu finden. Vielleicht ändert sich das im Frühjahr, wenn "Libreka" auch E-Books verkaufen möchte. Falls das wirklich klappt.

Vor Gericht keine Chance

Die deutschen Buchverlage fürchten also die Google-Konkurrenz wie der Teufel das Weihwasser. Zumal der Firma anscheinend auch juristisch nicht so leicht beizukommen ist. Versucht hat man es durchaus. Vor dem Hamburger Landgericht wollte die Wissenschaftliche Buchgesellschaft im Jahr 2006 eine einstweilige Verfügung gegen Google durchsetzen. Im letzten Augenblick wurde der Antrag zurückgezogen, weil sich abzeichnete, dass er vor Gericht nicht durchgekommen wäre. 100 000 Euro hat der ganze Spaß gekostet.

Solche Kosten will der Buchverleger-Verband sich oder seinen Mitgliedern nun nicht noch einmal aufhalsen. Und schon gar nicht in den USA, denn falls man mit dem Vergleich, den die amerikanischen Autoren und Verleger erzielt haben, nicht einverstanden ist, muss man seine Ansprüche dort geltend machen. Das wird noch viel teurer. Also hat Christian Sprang, Justitiar des Börsenvereins, sich überlegt, lieber der Verwertungsgesellschaft Wort den Vortritt zu lassen.

Deutsche Bücher in amerikanischen Bibliotheken

Die VG Wort erhebt Urheberrechtsabgaben von Copyshops und Geräteherstellern, die sie nach einem festgelegten Verteilungsplan an die Rechteinhaber ausschüttet, die Autoren und Verlage. In der aktuellen Ausgabe von politik und kultur, der Hauszeitschrift des Deutschen Kulturrats, welcher seinen Vorschlag unterstützt, erläutert Christian Sprang nun, dass sie noch etwas ganz anderes tun soll: Sie soll sich einen Anwalt in den USA suchen und gegen Google vorgehen.

Mal sehen, was da zu holen ist. Denn in den US-Bibliotheken, wo Google sich die Bücher zum Scannen ausgeliehen hat, standen auch so einige deutsche Bücher herum. Zehntausende, gibt Sprang an. Im Verhältnis zu den über 10 Millionen Büchern, um die es insgesamt geht, sind das freilich Peanuts. Und überhaupt müsste sich die VG Wort, um im Namen der deutschen Autoren gegen Google antreten zu können, die entsprechenden Rechte erst einmal übertragen lassen.

Genau das wünscht sich nun der Börsenverein. Es würde reichen, schreibt Justitiar Sprang in dem erwähnten Artikel, wenn die VG Wort dafür ihren Rahmenvertrag mit den Autoren ändern würde, den sogenannten Wahrnehmungsvertrag. Dann könne sie "für alle deutschen Bücher die nach dem Vergleich von Google zu zahlenden Beträge kassieren und für alle deutschen Bücher eine (weitere) Nutzung durch Google in den USA untersagen".

Bekommen die Deutschen mehr Geld als die Amerikaner?

Das ist eine gewagte These. Denn zu einem beträchtlichen Teil wird es sich bei diesen Werken um "Orphans" handeln, also um Werke, deren Urheber oder Rechteinhaber unauffindbar sind. Ohne weiteres kann trotzdem nicht einfach irgendjemand anderer von Google Geld dafür verlangen, dass die Firma diese Werke zugänglich machen will. Und überhaupt, was soll es bringen? Google hat sich mit Millionen amerikanischer Autoren und unzähligen US-Verlagen auf eine respektable Lösung geeinigt. Dass man ein paar mitbetroffenen Autoren von ein paar zehntausend deutschen Büchern wesentlich mehr zu zahlen bereit sein wird, als man den US-Autoren mit Erfolg angeboten hat, ist nicht sehr wahrscheinlich.

Zudem hat die VG Wort eigentlich eine ganz andere Aufgabe, nämlich dafür zu sorgen, dass die Autoren von dem Geld, das mit legalen Privatkopien ihrer Arbeiten verdient wird, etwas abbekommen. Gleichwohl ist sie bereitwillig in die Bresche gesprungen und hat ein Rechtsgutachten zur amerikanischen Google-Einigung erstellen lassen, in dem laut Pressemeldung erläutert sein soll, wie man den deutschen Autoren "einen optimalen Schutz ihrer Urheberrechte" gewährleisten könne. Darüber hinaus ist bisher wenig in Erfahrung zu bringen - das Gutachten selbst rückt die VG Wort derzeit nicht heraus.

60 Dollar per Email

Auch der Verband Deutscher Schriftsteller, welcher zur Gewerkschaft Verdi gehört, will Google Saures geben. "Die ,amerikanische Lösung' kommt einem Ausverkauf von Urheberrechten gleich und gefährdet die soziale und ökonomische Lage der Autoren existenziell", erklärt ihr Vorsitzender Imre Török im Namen des Verbands, der ebenfalls findet, dass sich lieber die VG Wort mit Google herumschlagen soll, koste es, was es wolle. Was Török dagegen hat, dass jeder Autor eines gescannten Buchs mindestens 60 US-Dollar bekommt, bleibt rätselhaft. Schließlich hat noch kein deutscher Verlag einem Autoren je so viel dafür geboten, dass er sein Werk für eine Online-Volltextsuche zur Verfügung stellt.

Was aus der Sache wird, ist offen. Jedenfalls steht die VG Wort unter Zeitdruck: Bis zum 5. Mai muss sie gegen den Vergleich, den Google mit den amerikanischen Autoren und Verlegern erzielt hat, Widerspruch einlegen. Eine interne Arbeitsgruppe, so teilt die VG Wort auf Anfrage mit, wolle noch in dieser Woche per Newsletter über das geplante Vorgehen informieren. Das wird auch Zeit, denn bislang hat weder die VG Wort noch der Schriftstellerverband es für nötig gehalten, die Betroffenen über eventuell geplante Änderungen des Wahrnehmungsvertrags in Kenntnis zu setzen.

Immerhin bieten die beteiligten Institutionen interessierten Mitgliedern in ihrer Pressemeldung "weitere Auskünfte zu dem Google-Vergleich" an. Auf Anfrage erhalten Autoren dann sechzehn einzelne in juristischem Fachenglisch verfasste .pdf-Dateien. Google macht es ihnen einfacher: Unter www.googlebooksettlement.com kann sich vorsichtshalber jeder Autor sein Recht auf 60 US-Dollar sichern. Die Registrierung (auf Deutsch) geht schneller als die Einrichtung eines E-Mail-Kontos.

© SZ vom 2.2.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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