Das ist schön:Zerfleddert, aber wertvoll

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Die Ödön-von-Horváth-Gesellschaft erwirbt Dokumente des Dichters

Von Sabine Reithmaier

"Dein Ödönöd" steht unter dem handgeschriebenen Gedicht in ungarischer Sprache. Der siebenjährige Ödön von Horváth schenkte seine Verse dem Vater zu dessen Namenstag am 16. November 1908. Jetzt gehört dieses nette Blatt zusammen mit 22 weiteren Dokumenten und drei Roman-Erstausgaben der Ödön-von-Horváth-Gesellschaft Murnau. 27 000 Euro hat sie für das Konvolut aus dem Nachlass des Dichters bezahlt, eine große Summe für so eine kleine Gesellschaft. Fünf Jahre brauchte sie, um das Geld mithilfe anderer Sponsoren zusammenzubringen. Aber natürlich ist es die einzig richtige Entscheidung, die Dokumente nach Murnau zu holen - jenen Ort, in dem der Schriftsteller von 1923 bis 1933 lebte - und sie als Dauerleihgabe an das Schlossmuseum geben. Während der Horváth-Tage, die vom 3. bis 12. November dieses Jahres stattfinden, werden sie ausgestellt. Das ist gut, denn die alten Papiere erzählen Geschichten.

Der zerfledderte, verblichene Taufschein von 1901 etwa. Jede seiner ausgefransten Ecken erinnert an die vielen Lebensstationen. Ausgestellt in Rijeka, wo Horváth geboren wurde, reiste er mit nach Belgrad, Budapest, München, Pressburg - wohin der Vater, ein ungarischer Diplomat, versetzt wurde. Später kamen noch Murnau, Berlin, Salzburg dazu. Oder das Programm eines "Literarisch-Musikalischen Abends" der Siegfried-Kallenberg-Gesellschaft in München. Horvaths "Geschichte einer kleinen Liebe" (1924) ist dort als Beitrag vermerkt. Damals stand der Autor ganz am Anfang seiner Karriere. Geldsorgen hatte er immer. Für "Dorf ohne Männer" ließ er sich 1937 einen Vorschuss von 300 Schilling zahlen. Eher seltsam mutet der Führerschein an, den Horváth 1934 in Berlin machte. Er absolvierte dort nicht nur Fahrstunden, sondern bemühte sich auch um die Aufnahme in den Reichsverband der Schriftsteller. Kein angenehmer Gedanke, denn eigentlich würde man sich Horváth ja immer lieber als absolut gradlinigen Nazi-Gegner vorstellen. Was er mit dem Führerschein vorhatte, ist nicht so ganz klar. Schließlich mochte er Autos überhaupt nicht. In jener Gewitternacht des 1. Juni 1938 in Paris lehnte er nach einem Treffen mit Robert Siodmak sogar das Angebot ab, sich ins Hotel fahren zu lassen. Hätte er bloß angenommen. So wurde er auf dem Heimweg von einem Kastanienast erschlagen.

Wenige Stunden zuvor hatte er noch eine Ansichtskarte an seinen Bruder geschrieben. Das Bild zeigt die Tuilerien, der Text ist so banal, wie Postkartentexte eben sind. Sogar bei Dichtern. Das ist doch schön.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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