Das ist schön:Jünger als Höhlenmalerei

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Alles relativ: Wer Alte Musik liebt, sollte die Stadt verlassen

Von Rita Argauer

Alt ist relativ. Denn das Wort alt allein reicht nicht, um zu beschreiben, wie alt etwas ist. Ein Kleinkind kann alt sein, im Vergleich zu einem Neugeborenen. Und so schwingt sich dieses Adjektiv in immer weiteren Vergleichen und Relationen nach oben, bis zur Beschreibung antiker Bauwerke, die einem richtig alt vorkommen, aber nur bis man an die Malereien in der Chauvet-Höhle denkt. Denn die sind noch einmal ein paar zehntausend Jahre älter. Alte Musik ist demnach ein völlig unzureichender Genre-Begriff. Zum Beispiel gibt es die Hardrock-Band Boxhead, in der der SZ-Klassikkritiker Andreas Pernpeintner Orgel spielt. Gerade erlaubte der sich den Witz, sein anstehendes Konzert mit dieser Band im Münchner Hard Rock Café am Mittwoch, 16. Mai, für "Freunde der Alten Musik" anzukündigen. Denn für Popbegriffe sind die Siebzigerjahre-Rock-Stücke, die diese Band spielt, richtig alt.

Der Kollege aber spielt hier auch mit seiner zweiten Expertise, neben seinem Dasein als Rock-Organist. Denn die Alte Musik, besonders dann, wenn das Adjektiv groß geschrieben wird, ist in der Klassik ein mehr oder weniger feststehender Begriff für alles, was älter als die Epoche der Klassik ist. Das ist begrifflich höchst verwirrend, denn klassische Musik, vom Frühbarock bis zur Romantik, ist ja erheblich älter als vieles von heute. Bei Alter Musik geht es jedoch meist darum, Musik, die aus dem klassisch-romantischen Kernrepertoire herausfällt, wieder aufzuführen und das im Idealfall auch mit altersgemäßen Instrumenten. Also Gamben und Violen d'Amore statt Celli und Bratschen.

München ist kein so gutes Pflaster für Alte Musik. Obwohl man ja durchaus alte Lokal-Komponisten wie Orlando di Lasso hat, überwiegt hier die Aufführung von Klassik und Romantik. Wenn man richtig Alte Musik möchte, muss man auch in Städte fahren, die an sich schon älter als München sind. Denn noch bis diesen Sonntag läuft in Eichstätt an der Altmühl ein Musikfest mit Konzerten zur venezianischen Laute und zur Consort-Musik für fünf und sechs Gamben von William Lawes und John Jenkins (Samstag), und Bachs Magnificat (Sonntag) im örtlichen Dom. Und in Regensburg gibt es über das Pfingstwochenende ganze 17 international besetzte Konzerte bei den "Tagen Alter Musik", etwa vom La Folia Barockorchester. Hinzu kommt eine Ausstellung verschiedener Instrumentenbauer mit Spezialisierung auf neu gebaute alte Instrumente. Da lebt das Alte völlig jung und neu auf. Das ist begrifflich schon wieder schwierig. Aber ganz abgesehen davon ist das sehr schön.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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