Das ist nicht schön:Ein Blick ist Nichts

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Der neue QR-Code des Ägyptischen Museums

Von Evelyn Vogel

Manche Treppen führen nirgendwo hin, sind praktisch zu nichts zu gebrauchen oder enden wortwörtlich im Nichts. Am österreichischen Dachstein heißen einige Stufen 500 Meter über dem Abgrund zwar "Treppe ins Nichts", haben aber durchaus einen praktischen Sinn. Sie sorgen für Nervenkitzel, weil man in der Glaskanzel das Gefühl hat, über dem Abgrund zu schweben oder ins Bodenlose zu stürzen. Die Kasseler Documenta-Treppe von 1992, die vor einigen Jahren der Abrisswut des damaligen Oberbürgermeisters Lewandowski zum Opfer fiel, führte nirgendwo hin, jedenfalls nicht im praktischen Sinn. Brachte jedoch dem Betrachter näher, was Kunst ist.

Nun könnte man bei der Treppe des Ägyptischen Museums in München - einem gewaltigen Bauwerk, dessen Stufen zielstrebig auf das einer Grabkammer nachempfundene Gebäude hinführen - ja auch vermuten, dass sie einfach nur so da ist. Für nichts und wieder nichts. Jedenfalls scheinen das anfangs verdammt viele Besucher vermutet zu haben. Die Museumsangestellten mussten ihnen erst telefonisch versichern, dass die Treppe tatsächlich zum Eingang führt, bevor sie auf ihr nach unten und in die Tiefen des Museums schritten. Hätte Howard Carter, als er damals im Tal der Könige auf eine verschüttete Treppe stieß, genauso gezaudert, sie zu betreten, er hätte nie das Grab Tutanchamuns entdeckt.

Vor dem Ägyptischen Museum gibt es nun schon seit längerem zusätzliche Hinweise auf den Eingang. Aber jetzt hat Museumsdirektorin Sylvia Schoske sich etwas Neues einfallen lassen, um die Besucher auf die ägyptische Grabkammer und ihre Schätze aufmerksam zu machen. Eine Idee, von der sich die anderen Museen eine Scheibe abschneiden könnten. Im Rasen vorm Haus, unweit dem Männeken von Henk Visch, das seinen roten "Gedankenstrahl" unter die Erde schickt, steckt seit einigen Tagen ein Schild mit der Aufschrift "Einblick" und einem QR-Code drauf. Liest man den mit der entsprechenden Handy-App ein, reißt virtuell die Erde auf und man blickt - nur in einen unterirdischen Ausstellungsraum. In der Totalen und je nach Tageszeit als Tages- oder Nachtansicht. Mehr zu programmieren, wäre laut Schoske zu teuer geworden. Das mag ja stimmen. Dennoch ist man enttäuscht und die tolle Idee verschenkt. Denn man wünscht sich eine Bildergalerie oder einen kleinen Rundgang. So ist das leider nicht schön.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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