Cool Germania:Provinziell, ineffektiv, teuer: Schafft die Designzentren ab!

Wie lange kann sich das der Exportweltmeister Deutschland noch leisten: Designförderung auf dem Provinzniveau, mit einem halben Dutzend Vertretungen zwischen Berlin und München, Nürnberg und Bremen?

Oliver Herwig

Design, die internationalste Währung des Warenaustausches, ist in Deutschland Ländersache. Und selbst dort zieht sich der Staat zurück. Dänemark und England sind wesentlich weiter. Tony Blair sonnte sich im Glanz von Stardesignern wie Tom Dixon, James Dyson Nick Crosbie oder Jasper Morrison. "Cool Britannia" war geniales Marketing. Blair startete eine Charmeoffensive für die Designnation England und stärkte das Design Council mit sechs Millionen Pfund im Jahr.

Davon kann Deutschland nur träumen. Es versucht sich in immer neuen Innovationsoffensiven, bringt aber nur eine zersplitterte öffentlich-institutionelle Designlandschaft zustande. Gestaltungskompetenz, so sie nicht privatisiert wurde, rangiert als Anhängsel von Landesgewerbeämtern sowie Industrie- und Handelskammern oder - wie in Bayern - als Teil falsch verstandener Regionalförderung. Aber nicht Berlin und Bremen stehen miteinander in Konkurrenz, sondern Made in EU mit Made in China. Industrielle Formgebung funktioniert heute global.

Es gibt kein Deutsches Designzentrum. Keine Institution arbeitet auf Augenhöhe mit dem British Design Council und seinem jährlichen Bericht zur Lage der Gestaltung. Sicher, wir haben das Design Zentrum Nordrhein-Westfalen und die iF International Forum Design GmbH Hannover, dahinter kämpft die zweite Liga in Ludwigshafen, Stuttgart, Bremen, Berlin, Nürnberg und München um Gelder und Aufmerksamkeit. Die meisten werden verschwinden.

Weimar machte den Anfang. Im Juni ging das Design Zentrum Thüringen Pleite. Acht Jahre lang kämpfte der Verein mit ambitionierten Ausstellungen um Aufmerksamkeit. Am Ende reichten 35 Prozent staatliche Grundfinanzierung nicht aus. Damit brach das letzte Stück institutioneller Gestaltungsberatung in den neuen Bundesländern weg.

Nach der Wende hatte es eine Gründungswelle von Designzentren gegeben, Bremen und Hamburg zogen nach. Heute zeigt sich, dass Designförderung ohne industrielle Basis nicht funktioniert. Das gilt ebenso für den Westen, wenn öffentliche Gelder und EU-Programme in den nächsten Jahren auslaufen, so 2008 in Bremen, wo man ganz neue Verbindungen zwischen Design und Marketing auftun will und hofft, den Absturz in drei Jahren auffangen zu können. Zuschüsse dürften sich in der Zukunft weitgehend auf Projektmittel beschränken. "Viele Bundesländer können sich das Thema öffentlich-institutionell nicht mehr leisten", fürchtet Andrej Kupetz, Geschäftsführer des Rates für Formgebung, der einzigen Bundesinstitution in Sachen Gestaltung.

Die Preise fallen

Die 1953 auf Regierungsbeschluss gegründete Institution erhält als kleinster Titel des Bundeshaushalts 150000 Euro. "Es wird immer weniger", sagt Kupetz, "wir sind darauf angewiesen, uns selbst zu finanzieren." Dabei unterscheidet er genau zwischen dem öffentlich geförderten Auftrag und zusätzlichen wirtschaftlichen Aktivitäten. "Das muss klar getrennt sein."

Heute arbeitet nur noch das Design Center Stuttgart als Behörde; 2004 wechselte es vom Landesgewerbeamt zum Regierungspräsidium, wo Gestaltung eigentlich nichts verloren hat. Alle anderen erproben Modelle zwischen Öffentlichkeit und Kommerz in Holdings und Vereinen. Am Ende droht der freie Markt, in dem sich Designvermittler beweisen müssen- ein Wandel, wie ihn das Internationale Design-Zentrum Berlin versuchte. Doch "Institutionen sind nicht auf diese Veränderungen vorbereitet", sagt ein Experte, "das ist ein komplett anderes Denken."

Wie dieses Denken aussieht, führen Essen und Hannover vor. Sie arbeiten längst als Dienstleister und bieten identische Produkte an: Preise. Das Ziel lautet Marktführerschaft, und Nordrhein Westfalen nimmt sie mit dem red dot schon für sich in Anspruch, "als erfolgreiches Instrument für die Kommunikation" von Unternehmen. Hannover kontert: Das iF Label sei zu einer "weltweiten Marke mit hohem Wiedererkennungswert" geworden, die als "Garant für aktuelle Tendenzen im Design" stehe.

Beide Preise - red dot wie iF design award - und ihre Unterkategorien werden durch eine Flut von Publikationen vermarktet. Allein Essen könnte einen halben Buchladen füllen. "German Design Standards" heißt eine Reihe, Jahrbücher zum Kommunikations- und Produktdesign sind Legion. Hinter dieser Entwicklung steht der Geschäftsführende Vorstand Peter Zec, der vor zwei Jahren "President Elect" des Welt-Designverbandes ICSID wurde, und dessen aggressiver Elan nur von seiner Vorliebe für schnelle Autos übertroffen wird.

"Design braucht keine Förderung"

Der einzige ernstzunehmende Konkurrent, das Industrie Forum Design in Hannover, eine Tochter der dortigen Messegesellschaft, bietet acht Designwettbewerbe an, darunter den iF design award CHINA. Sie bilden "die Grundlage für das Dienstleistungsspektrum von iF." Firmen wollen ihre Produkte durch Plaketten, Medaillen und Urkunden aufwerten, und der Markt der Preise wächst. Der zum zweiten Mal vergebene iF communication design award sah bei 1211 Einreichungen aus 31 Ländern 323 Preisträger, insgesamt gab es rund 4000 Bewerber in Hannover. Ihre Teilnahmegebühren finanzieren Preisgelder und Verfahren.

Der Boom hat Folgen. "Wenn ein Produkt in der Farbe Blau, Rot und Silber prämiert wird, ist das schon kritisch", klagt ein Designer. "Wie lange kann man ein Instrument melken, bis es nichts mehr wert ist?" Ein anderer sieht Designzentren gar "so eng mit der Wirtschaft verheiratet, dass keine Unabhängigkeit möglich ist."

Genau darin liegt der Auftrag öffentlicher Designförderung: unabhängig und langfristig zu wirken. Genug Raum für ein Deutsches Designzentrum gibt es. Was fehlt, ist der politische Wille. So lange Designförderung an regionale Interessen gekettet bleibt, kommen keinerlei Kooperationen zustande.

Über allem thront der Rat für Formgebung. Er könnte zum Deutschen Designzentrum wachsen. Aber augenblicklich übersteigt das die Möglichkeiten der Institution, die sich aus der Regionalpolitik heraushält. "Es ist unser Ziel, gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen", hofft Kupetz, und präzisiert: "aus dem Verschwinden der Designzentren."

Vor fünf Jahren hatte der Designer gefordert, mit dem politischen Terminus Designförderung müsse ganz Schluss sein: "Design braucht keine Förderung, sondern diejenigen, die es benutzen sollen." Das konnte man als Ohrfeige für diverse Designzentren verstehen, deren Vermittlungsarbeit offenbar wenig fruchtete. Deutsches Design braucht dringend ein internationales Kommunikations- und Qualifizierungszentrum. Regionale Institutionen haben sich überlebt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: