Computerspiele:Wie gefährlich sind "Killerspiele"?

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Suchtfaktoren, Gewalt in Spielen, Spaß beim Zocken: Über Computerspiele kann viel diskutiert werden. Auf der Konferenz "Clash of Realities" wurde es zum ersten Mal wirklich getan. Die Ergebnisse können vielfach gedeutet werden.

Jürgen Schmieder

Tagungen folgen zumeist einem festen Prinzip: Experten stellen die neuesten Forschungen auf einem bestimmten Gebiet vor, im Zuschauerraum findet man interessierte Studenten, die Vorträge durch intelligente Fragen auflockern. Und an der Seite hocken Journalisten, die hoffen, einen interessanten Aspekt zu erhaschen, den sie in ihrem Artikel verarbeiten können.

Film, Computerspiel, Realität: "Der Pate". (Foto: Foto: Electronic Arts)

Die Clash of Realities - Computerspiele und soziale Wirklichkeit in Köln war eine solche Tagung. Doch wendet man die üblichen Kriterien an, war sie das nicht. Im Vorraum standen leuchtende Säulen mit Bildschirmen, aus ihnen ragten Controller, die mit einem Gerät verbunden war, das sich in der Säule befand. Vor den Säulen standen Menschen und übten sich in der virtuellen Zockerei. Man will ja nicht nur Theorie, sondern auch etwas von der Praxis erfahren.

Zu viele Experten

Die Teilnehmer der Konferenz wirkten dann auch ungewöhnlich für eine Tagung: Die Referenten, allesamt gestandene Wissenschaftler, machten optisch zuweilen den Eindruck, als würden sie in den nächsten Monaten ihr Abitur schreiben. Das soll keine Aussage über die Fachkompetenz sein, sondern darlegen, um welch junge Wissenschaft es sich bei den Computerspielen handelt.

Auch die Besucher sind keine interessierten Zuhörer, sondern Experten auf ihrem Gebiet. Ihre Fragen kratzen nicht an einer Oberfläche, sondern gehen schnell in die Tiefe. Ähnlich die Journalisten. Der Großteil stammte von Computermagazinen - Print und Online. Die wollten sich weniger informieren, sondern diskutieren. Sie sehen sich als Teil der Materie, der Wissenschaft.

Da aber liegt eines der Probleme dieser Tagung, so wichtig es ist, dass sie endlich - über 30 Jahre nach dem ersten Computerspiel - abgehalten wurde. Es machte den Eindruck, als ob es sich um eine geschlossene Gesellschaft handeln würde. Experten referieren vor Experten, und Experten berichten für Experten.

Wichtige Erkenntnisse

Aber was soll man davon dem berichten, der außerhalb der Computerspielszene steht? Dass der immer noch schlechte Ruf an "der Ignoranz der anderen" (ein Teilnehmer) liegt? An "der Angst der älteren Generation vor Neuigkeiten" (ein Referent)? Dass die "einseitige und unreflektierte Berichterstattung der überregionalen Tagespresse" (ein Autor eines Online-Magazins) Schuld hat?

Doch die Clash of Realities hatte Referenten zu bieten, die wirklich neue Erkenntnisse vorstellten, die begeistern konnten. Gundolph Freyermuth etwa, der über die Bildbotschaften in Computerspielen philosophierte. "Virtualität macht Realität sichtbar", sagte er.

In Computerspielen werden Bilder produziert, die nachfolgende Generationen mit der heutigen assoziieren werden. Was für uns neu ist, ist in 50 Jahren Geschichtsunterricht. Und Lara Croft wird eines der Bilder sein, die mit den heute 20-Jährigen in Verbindung gebracht werden.

Oder Peter Vorderer, der den dogmatischen Kampf um Computerspiele auf den Punkt brachte: Da gebe es die ewigen Schönredner und diejenigen, die einen Kreuzzug gegen Computerspiele führen würden. Aber anstatt einen Mittelweg zu finden, nach Lösungen zu suchen, würden beide Seiten sich nur bekämpfen. Damit fasste er den wichtigsten Punkt, wenn es um die Akzeptanz von Computerspielen geht, prägnant zusammen.

Und es gab auch Espen Aarden, der über das Spielen an sich referierte. Spielen gab es schon vor dem Menschen, selbst Hunde würden einfache Regeln eines Spiel verstehen - das Ziehen an einem Stock gegen sein Herrchen etwa. Aarden gab auch den klügsten Satz der Tagung von sich: Spielen tun die Menschen schon immer. Nur tun sie es nun auf einem neuen Medium." Punkt.

Macht Spielen nun aggressiv oder nicht?

Da vergaß man schnell das Pflichtprogramm, das zuvor abgearbeitet wurde: eine wenigsagende Studie zur Kausalität von Aggression und Gewalt in Computerspielen etwa.

Ja, es gebe einen Zusammenhang zwischen so genannten Killerspielen und kurzzeitigem aggressiven Verhalten. Aber keinen besonders großen. Und es sei nicht sicher, ob das Spielen zu aggressivem Verhalten führt oder ohnehin aggressivere Menschen zu Spielen mit Gewaltinhalten greifen. Eine Studie über die Langzeitwirkung gebe es noch gar nicht.

Oder eine kurze Zusammenfassung über Online-Rollenspiele, ein enervierender Vortrag darüber, was Spieler in Leserbriefen über "The Sims" schreiben. Und nicht zu vergessen die Podiumsdiskussion, auf der die Präsidentin der Stiftung Jugend und Politik das Suchtpotenzial von Computerspielen mit harten Drogen verglich.

Es ist unglaublich wichtig für die Akzeptanz von Computerspielen in der Gesellschaft, dass die Clash of Realities ins Leben gerufen wurde. Initiator Winfried Kaminski und Electronic Arts hatten die richtige Idee, eine Wiederholung im kommenden Jahr ist dringend notwendig.

Nur darf eine Tagung wie diese nicht zu einer Insel werden, die nur Auserwählte erreichen können. Die dann in Diskussionen ihre persönlichen Theorien als allgemein gültige Wahrheiten verkaufen. Dies ist nicht ein Aufruf an die Organisatoren, die Tagung zu öffnen, das haben sie bereits getan. Es ist ein Aufruf an alle, die sich noch nicht mit Computerspielen beschäftigt haben. Mit ihnen muss ein Dialog geführt werden. Und an sie müssen Einladungen verschickt werden.

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