China und die Zensur:Jetzt habt euch mal nicht so

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Verstümmeln oder verbieten: Wie die chinesische Zensur mit Hollywood-Blockbustern umgeht. Piraten unter sich.

Tobias Kniebe

In der Welt der Piraten saß China schon einmal am Tisch der größten Wirtschaftsnationen, zumindest, wenn man dem aktuellen Blockbuster "Pirates Of The Carribean - Am Ende Der Welt" glauben darf. Dort gibt es den "Rat der Brüder", eine Art G 9 der mächtigsten Piratenkapitäne, in dem auch der gefürchtete, glatzköpfige und narbenübersäte Chinese Sao Feng (Chow Yun-Fat) eine wichtige Rolle spielt.

Verstümmelt im Kampfe: Johnny Depps "Fluch der Karibik" darf in China nur teilweise bis gar nicht gezeigt werden. (Foto: Foto: AP)

Jedes Volk wäre stolz, einen solchen Abgesandten zu haben - nur nicht die Chinesen: Bevor der Film in der Volksrepublik starten durfte, mussten auf Anordnung der staatlichen Zensoren alle Szenen mit Sao Feng entfernt werden. Die Schnitte beträfen nur zehn Minuten des Films, erklärte der Chef der Filmbehörde, Zhang Pimin, und würden weder die Handlung noch die Charakterdarstellung beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Ihr "Filmkünstler" in Hollywood, jetzt habt euch mal nicht so.

Zehn Minuten kürzer, das ist für chinesische Verhältnisse tatsächlich eine gnädige Behandlung. Teil zwei der "Pirates Of The Carribean"-Trilogie durfte vergangenes Jahr zum Beispiel gar nicht starten - als offizielle Gründe wurden "Kannibalismus" und "Geisterdarstellung" angegeben.

Schlechtes Licht auf Japan

Für Hollywood ist der chinesische Filmmarkt eine Art Glücksspiel: Man reicht einen Film bei der Zensurbehörde ein - und schaut einfach, was passiert. James Bond in "Casino Royale" kam durch und durfte auf 470 Leinwänden laufen, ebenso alle "Spider-Man"-Folgen, auch der "Da Vinci Code" erzielte schon einen großen Erfolg in China. "Memoiren einer Geisha" dagegen hatte keine Chance. Da ging es zwar um Prostitution in Japan, und alles, was ein schlechtes Licht auf Japan wirft, gefällt den chinesischen Zensoren grundsätzlich schon. Leider aber hatte sich der junge chinesische Superstar Zhang Ziyi überreden lassen, die Titelrolle der besagten japanischen Geisha zu übernehmen. Und diese Schande durfte dann doch nicht publik werden.

Der Westen will präsent sein in diesem zukünftigen Milliardenmarkt, aber die Bedingungen sind doch ziemlich bizarr. Wann immer zum Beispiel ein wichtiger chinesischer Film startet, verhängt das Land einen temporären "Blackout" über Hollywood: Dann müssen alle fremdsprachigen Filme für einen Monat aus den Kinos verschwinden, auch wenn sie noch bestens laufen - eine Form des Protektionismus, der manch deutschem Filmemacher wie ein feuchter Traum erscheinen mag. Rein zahlenmäßig werden solche Unwägbarkeiten in Hollywood noch unter der Kategorie "Peanuts" geführt.

Blackout in China

So gab das staatliche Filmbüro in Peking im Januar bekannt, dass im vergangenen Jahr insgesamt 2,62 Milliarden Renminbi (rund 258,8 Millionen Euro) an den chinesischen Kinokassen umgesetzt wurden. Das entspricht ungefähr den Ticketverkäufen eines einzigen Blockbusters wie "Spider-Man 3" in den USA. Eine erfolgreiche chinesische Großproduktion wie Zhang Yimous "Fluch der Goldenen Blume" beansprucht ungefähr ein zehntel des Marktes für sich allein, und insgesamt liegt der Anteil heimischer Filme bei 55 Prozent. Wie überall in China verzeichnet man jedoch auch hier absurdes Wachstum: Die jährliche Steigerungsrate lag zuletzt bei dreißig Prozent.

Am Ende aber sind es weniger die unkalkulierbaren staatlichen Eingriffe, die China für Hollywood zur Problemzone machen, sondern die sehr kalkulierbaren Folgen der popkulturellen Globalisierung. Sie lässt sich nämlich auch von chinesischen "Blackouts" und Zensurmaßnahmen nicht aufhalten. Wann immer ein großer Blockbuster in den USA startet, kann man ihn wenige Tage später auf chinesischen Märkten als Raubkopie kaufen, und zwar in der ungeschnittenen Originalfassung.

Da haben die Zensoren keine Chance, den Film zu verstümmeln oder zu verbieten - aber andererseits verdienen auch die amerikanischen Studios keinen Cent mehr daran. Tolle Ironie des Schicksals: Ausgerechnet die chinesischen Filmpiraten sind es, die Sao Feng, ihrem Urahn auf den Weltmeeren, doch noch zu seinem Auftritt in China verhelfen.

© SZ vom 18.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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