CD: "Meds":Planet Placebo

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Das sichere Gespür für den richtigen Sound oder das Geheimnis vom Space Monkey: Auf dem Weg nach vorne gehen Placebo auch gerne mal einen Schritt zurück.

Caroline Daamen

Wie macht man weiter, wenn man einen Höhepunkt erreicht hat? Wo knüpft man an nach der ersten Dekade einer erfolgreichen Bandgeschichte? Oder lässt man das einfach hinter sich und marschiert so bewusst wie resolut in eine ganz andere Richtung? Fragen, die man sich nach zehn Jahren Placebo durchaus stellen kann.

Wissen, wie's geht: Steve Hewitt, Brian Molko und Stefan Olsdal (v.l.n.r.), gemeinsam Placebo. (Foto: Foto: Placebo / Nadav Kander)

Das haben Frontmann und Songwriter Brian Molko, Drummer Steve Hewitt und Stefan Olsdal auch getan. Und zwar mit dem Selbstbewusstsein einer eingespielten und eingeschworenen Gemeinschaft, die seit Mitte der 90er kontinuierlich nach oben geklettert ist.

Das letzte Studioalbum "Sleeping with Ghosts" (2003) war ein emotionaler und musikalischer Glanzpunkt, gefolgt von einem überzeugenden Best-of zum Zehnjährigen ("Once more with feeling", 2004), einem umjubelten Konzert in der ehrwürdigen Wembley Arena sowie ausverkauften Arenen in Südamerika 2005 - und der Ankündigung, dass das nächste Album ein richtiges Elektronik-Experiment werden würde.

Soweit der Plan. Molko, Hewitt und Olsdal waren im vergangenen Sommer offenbar auch wild entschlossen, elektronische Klangwelten im Sinne des gitarrenfreien "I do" oder der Synthie-Ballade "Twenty Years" vom Best-of auch auf dem neuen Longplayer auszubreiten. Gekommen ist es anders.

"Meds" ist vor allem eines: handgemacht. Rau und kantig oder auch zart und zerbrechlich. Feinstes Placebo-Handwerk an der Gitarre, die beim Intro zum Titelsong schnittig die Gangart bestimmt. Bei Hewitts Schlagzeug, das nicht nur bei "Because I want you" druckvoll nach vorne geht oder einer bebend-tiefen Basslinie ("Post Blue)". Streicher oder Klavier anstelle von Keyboards.

Das ist schön erfrischend und erinnert streckenweise an den ungeschliffenen Sound des Erstlings "Placebo".

Der Weg in die Zukunft von Placebo führt damit über die eigene Vergangenheit, ohne dabei Altes aufzuwärmen. "Einfachheit statt Ausschweifungen", wie Molko es nennt.

Verantwortlich dafür: Produzent und alter Placebo-Weggefährte Dimitri Tikovoi, der den Dreien den Weg zu "Meds" diktierte. Molko: "Dimitris Idee bei diesem Album war, dass wir quasi wieder ein Debütalbum machen sollten. Er wollte uns aus unserer gemütlichen Ecke rausholen, uns herausfordern."

Gemütlich ist es wahrlich nicht geworden, Studioalbum Nummer fünf. Für ein Debüt dann aber auch zu reif und in sich ruhend. Nicht wirklich vergleichbar mit den Vorgängern und doch kein waghalsiger Neuanfang. Dicht und gleichzeitig breit gefächert.

"Meds" öffnet gleich zu Beginn das Türchen zur diffizilen und fragilen Placeboworld und schließt es sorgsam mit "Song to say Goodbye" - dazwischen liegt die ganze Bandbreite menschlicher Gefühlswelten. Oder eher: Molkos Melancholien in Musik gegossen. Wer mag, darf eintreten.

Mal im weiten Raum von "Follow the cops back home", dem ebenfalls tieftraurigen "Pierrot the Clown" oder in "Ausreißern" des Albums, in denen sich dann doch die Loops den Weg gebahnt haben ("Space Monkey", "One of a kind").

Alles passt und fügt sich in ein weiteres Kapitel Placebo: "Space Monkey is the place to be / Riding in a rocket to a planet of sound."

Placebo, "Meds" (Virgin/EMI)

1. Meds (featuring Alison Mosshart) 2. Infra-Red 3. Drag 4. Space Monkey 5. Follow the Cops back home 6. Post Blue 7. Because I want you 8. Blind 9. Pierrot the Clown 10. Broken Promise (feat. Michael Stipe) 11. One of a kind 12. In the cold light of morning 13. Song to say Goodbye

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