Buch: Herrmann Vinke: "Hoffentlich schreibst du recht bald":Sophie und Fritz

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Der eindrückliche Briefwechsel zwischen Sophie Scholl und dem älteren Wehrmachtsoffizier Fritz Hartnagel - ein Kampf um eine Liebe wie um politische Überzeugungen im Schatten des Nazi-Terrors

Ursula Frey

Es ist die Geschichte einer tiefen Zuneigung, ja, man muss schon sagen, einer nach und nach ganz großen Liebe - die zwischen der jungen Widerstandskämpferin Sophie Scholl und dem etwas älteren Wehrmachtsoffizier Fritz Hartnagel.

Die Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl, Christoph Probst (Foto: Foto: United States Holocaust Memorial Museum)

Sie lebt im Buch des in Fragen der NS-Geschichte sehr kompetenten Journalisten Hermann Vinke wieder auf und zeigt ihre intensiven Konturen. Diese zwei jungen Menschen haben hart umeinander gekämpft, und das in einer Zeit, die von beiden unendlich viel forderte. Das Paar hat in dieser sehr emotionalen Beziehung miteinander gerungen - bis zum bitteren Ende, der Hinrichtung von Sophie Scholl am 22. Februar 1943.

Gewiss war die Beziehung nicht einfach: Immer wieder dachten sie darüber nach, sich zu trennen. Das wird dokumentiert durch gut ausgewählte und sensibel vom Autor kommentierte Briefpassagen. Diese beiden willensstarken Menschen kämpften um ihre Lebensziele.

Dies begleitete ihre Liebe, nicht zuletzt hervorgerufen durch Sophies großen Unabhängigkeitsdrang und vor allem durch die anfangs sehr unterschiedlichen Weltanschauungen: auf der einen Seite die sich immer entschiedener bekennende Gegnerin des NS-Regimes, auf der anderen der noch überzeugte Berufssoldat.

Sophie machte Fritz zum Regimegegner

Aber sie fanden immer wieder zueinander, nicht zuletzt begründet in der großen Toleranz, die beide im Umgang miteinander bewiesen - und schließlich versöhnten sie sich wieder. In der Zeit vor dem tragischen Ende Sophies fanden sie, so ist nachzulesen, zu ihrem persönlichen Glück.

Sophie hat ihrem Fritz dabei geholfen, die Unrechtmäßigkeit des Hitler-Regimes zu durchschauen. Er, der den Berufsweg des Richters schließlich einschlug, wurde zu einem entschiedenen NS-Gegner und nach 1945 zu einem überzeugten Friedenskämpfer.

Sophie und Fritz waren natürlich auch einfach junge Menschen mit all den Ansprüchen dieser Altersstufe - und deshalb mischen sich bei ihnen Probleme der großen Politik mit alltäglichen privaten Fragen. Ihre Briefe berühren in ihrer Intensität und der Authentizität ihrer geäußerten Gefühle bis heute.

Fotos illustrieren die Briefpassagen

Illustriert werden diese Briefpassagen durch viele Fotos, so dass sich beim Lesen auch ein optisches Bild der Entwicklung beider Charaktere und ihrer unterschiedlichen Lebenswelten ergibt.

Sophie hatte ihre politischen Überzeugungen schon im Elternhaus gelernt. Aus dem, was ihr Vater und Mutter vorlebten, konnte sie für ihre eigenen politischen Einstellungen schöpfen.

Dazu kamen der Einfluss ihres Bruders Hans und die Freundschaft mit Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und Professor Kurt Huber - alle, wie sie, im engeren Kreis der Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose". Dieses Buch zeigt, wie wichtig politische Erziehung und Diskussionen innerhalb der Familie für junge Menschen sind, um feste Werte und Überzeugungen entwickeln und sich so gegen extreme Einflüsse abzugrenzen zu können.

Für die NS-Zeit war das Verhalten von Sophies Eltern, die ihrer Tochter die Liebe zur geistigen Freiheit mitgaben, eher eine Ausnahme. Die offizielle Ideologie hieß damals: Politik und intellektuelle Auseinandersetzungen sind nichts für Frauen.

Widerstand bis zum Ende

Sophie bewies das Gegenteil. Sie widerstand dem totalitären Staat bis zu ihrem schrecklichen Ende - gegen die Gestapo und den Präsidenten des Volksgerichtshofs, Roland Freisler. Sophie glaubte unumstößlich an ihre Vorstellungen von Politik und Menschlichkeit. Und die anderen, die auch nicht den Nazis trauten? Sie schwiegen, meist aus Angst vor Denunziation - oft sogar vor den eigenen Kindern.

Geschrieben ist das Buch in einem schnörkellosen, leicht verstehbaren Stil, sodass außer der Geschichte von Sophie und Fritz eher nebenbei auf eine jugendgerechte Weise auch einordnendes politisches Hintergrundwissen über das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte vermittelt wird.

Ein Buch, das vor allem jungen Leuten zu einer festen demokratischen Überzeugung verhelfen kann, wobei zugleich vermittelt wird, dass bei allem Engagement für die Gesellschaft die ganz persönliche und auch emotionale Lebensentwicklung nicht vernachlässigt werden darf.

Scholl und Hartnagel - eine politische Liebesgeschichte

Wer mehr über die Korrespondenz zwischen Sophie und Fritz wissen will, kann die Briefe in ihrer ganzen Länge auch in der Edition des Fischer-Verlags nachlesen "Sophie Scholl/Fritz Hartnagel. Damit wir uns nicht verlieren. Briefwechsel 1937-1943".

Sie hat der Sohn Thomas von Fritz Hartnagel und seiner Frau Elisabeth - der Schwester von Sophie - herausgegeben, der Geschichte und Politikwissenschaft studiert hat und an einem Hamburger Gymnasium unterrichtet. Genaueres über Fritz Hartnagel, vor allem über seinen Weg nach 1945 in der Friedensbewegung, gibt das Buch wieder, das ebenfalls Hermann Vinke im Arche-Verlag geschrieben hat: "Fritz Hartnagel. Der Freund von Sophie Scholl."

Sophie und Fritz: eine politische Liebesgeschichte, die vielen Jugendlichen, aber auch Erwachsenen, lange in der Erinnerung bleiben wird.

HERMANN VINKE: Hoffentlich schreibst du recht bald - Sophie Scholl und Fritz Hartnagel. Eine Freundschaft 1937-1943. Ravensburger Buchverlag 2006. 320 Seiten, 14,95 Euro. Ab 12 Jahren.

© SZ vom 21.März 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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