Boxen: Stefan Raab vs. Regina Halmich:Die Hölle von Kölle

Lesezeit: 9 min

88 Kilo Killerplauze rollten ins Leere: Stefan Raab konnte seinen Traum, Boxweltmeisterin zu werden, nicht verwirklichen. Aber er kämpfte tapfer und begeisterte das Publikum. Erleben Sie die Boxnacht im sueddeutsche.de-Live-Ticker.

Christian Kortmann und Franziska Seng

Boxen ist eine ziemlich humorlose Angelegenheit: Meist bekriegen sich zwei schwitzende korpulente Männchen mit Haaren auf dem Rücken, und zu Ende ist das Ganze erst, wenn einer krachend auf die Bretter schlägt, zu stark aus den Augen blutet oder dem anderen ein Stück vom Ohr abbeißt.

Insofern muss man Stefan Raab dankbar sein, dass er Ironie und Humor ins Boxen zurückbringt: Wie einst der Komiker Andy Kaufman als Catcher gegen Frauen antrat, hat Raab seine Berufung im Boxen gegen Frauen gefunden.

Am Freitagabend trat er zum Revanchekampf gegen die 44-fache Boxweltmeisterin Regina Halmich an, die ihm im Jahre 2001 eine schmerzhafte Niederlage zugefügt hatte. Unter dem Motto "Die Rückkehr der Killerplauze" versuchte Stefan Raab in der restlos ausverkauften Kölnarena, Treffer mit seiner gefürchteten Waffe, der Cellulite-Peitsche, zu landen.

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag hatte Raab sich mit Camouflage-Bandana und Sonnenbrille finster gegeben: "Wenn ich mit Regina Halmich fertig bin, fahre ich nach Berlin und verprügele Knut, den Eisbären."

Beim "offiziellen Wiegen" lag Raab klar vorne: 88 Kilogramm Killerplauze trafen auf 52,5 Kilogramm Fliegengewicht. Regina Halmich hatte trotzdem keine Angst und musste auch keine haben: "Ich werde Stefan sechs Runden lang vorführen. Es soll lang und schmerzhaft sein. Ich will keine schöne Technik zeigen, sondern Stefan eigentlich nur voll in die Fresse hauen." Das sagte sie vor dem Kampf und hielt Wort. Die Kampfnacht im sueddeutsche.de-Live-Ticker:

20.16 Uhr

Die Kamera fliegt über Köln, dazu Wagners "Walkürenritt". Zur Erinnerung: Die kräftigen Walküren bringen die toten Kriger vom Schlachtfeld in den Himmel. Ob Regina Halmich sich heute auch als Walküre entpuppen wird? Oliver Welke und Dariusz Michalczewski begrüßen die Zuschauer aus der ausverkauften Kölnarena, 19.500 Zuschauer. DM sagt, dass Regina Halmich seine beste Freundin sei, und Raab deswegen keine Chance habe.

20.25

DM: "Ein Boxer muss nervös sein, sonst ist er nicht gut vorbereitet." Welke preist Raab als universelles Sportgenie. Nervös ist Stefan Raab bestimmt, aber ob er sich die Vorschusslorbeeren tatsächlich verdienen wird? DM sagt auch noch, dass Raab erst in der ersten Runde des ersten Kampfes gegen Halmich gemerkt habe, was Boxen sei. Vorbereitet habe er sich nur am Fernseher. Welke: "In der dritten Runde hat Raab damals versucht, mit seinem Nasenbein auf Halmichs Faust einzuschlagen." Originalzitat damaliger Ringkommentar: "Die Nase schmerzt, er wird angezählt."

20.31

Welche Taktik Raab wohl heute wählen wird? Wir erfreuen uns nochmal an der Zeitlupe des Punches, mit dem Halmich Raabs Nase brach. Sie hat versprochen, sie ihm heute genau an derselben Stelle zu brechen. Schmerzhafte Aussichten: Friday I'm in Pain.

20.41

Wir sehen noch einmal, dass es 2001 ein veritables Massaker war. Beinahe wurde auf den Ringrichter eingeprügelt, weil er den Kampf nicht abbrechen wollte. Jetzt zu den wichtigen Fragen: Ist Ring-Moderatorin Johanna Klum eigentlich die Schwester von Heidi Klum? Den Kleidchen-Schühchen-Frisürchen-Durchmoderierfaktor hat sie jedenfalls, nur in schwarz. Anke Engelke wirkt erschreckend humorlos, geriatrisch schwerhörig und gibt Weisheiten zum Besten, die uns nachdenklich stimmen: "Ich interessiere mich überhaupt nicht für Boxen." Macht ja nichts, wir ja auch nicht. Weiter sagt sie: "Ich will nur, dass der Bessere gewinnt." Elton sitzt auch ganz vorne, trägt ein T-Shirt, auf dem "Dicke Lippe" steht. Seine Favoritin heißt Halmich, er riskiert schon mal die Prognose: "Ab Montag übernehme ich TV-Total".

20.45

Die Ankunft der Gladiatoren: Regina Halmich steigt so entspannt wie entschlossen aus der weißen Stretchlimousine, trägt schicke Sportswear. Einziger Unterschied ihrer Lässigkeit zu der Paris Hiltons: Sie schlenkert keine Handtasche. Dann röhren schon die Motoren der Hells Angels, denn Stefan Raab wird von einer Harley-Davidson-Kolonne eskortiert. Er steigt von seinem Chopper und stiefelt breitbeinig und breit grinsend in die Katakomben. Ob er nach heute Abend jemals wieder normal laufen kann?

20.52

Man merkt schon nach einer halben Stunde: Raab liefert heute eine Show nach allen Regeln der Kunst. Fand der erste Kampf noch in einer Art Wellblechgarage statt, zeugen die Lichteffekte und die "Star Wars"-Musik in der Kölnarena von einem Hauch von amüsanter Gigantomanie.

21.05

Zu Gast in Halmichs Kabine: Immer noch völlig entspannt kaut sie ihren Kaugummi und hat keine Lust, auf die nervigen Fragen des Reporters zu antworten. Das erledigt ihr Trainer für sie und erklärt, Regina sei natürlich vollkommen entspannt. Plauzentechnisch hätte sie mit einer ebenbürtigen Gegnerin (75 kg) trainiert. Jetzt zu Raab: Er hat rosige Bäckchen wie ein aufgeregter Schuljunge, der weiß, dass er gleich in der großen Pause wieder ordentlich vermöbelt werden wird. Aber Kneifen war ja noch nie Raabs Sache. Ob er die Wettquoten kennt - sagen wir mal so: Wäre er ein Rennpferd, wäre es das Beste, man würde ihn sofort erschießen.

21.17

Gerade boxen zwei Frauen gegeneinander. Ein Vorkampf. Wir langweilen uns. Sie auch? Wahrscheinlich, sonst würden Sie ja nicht nebenbei lesen. Wenn Frauen gegen Frauen oder Männer gegen Männer boxen, finden wir das völlig öde. Wir interessieren uns nur für Gemischtes Boxen, weil das viel natürlicher ist. Das wusste auch Andy Kaufman, der Mann hatte noch Prinzipien, sehen Sie hier:

Er blieb dabei immer Gentleman und boxte und catchte nur mit Gegnerinnen, die mindestens 150 Kilo wogen.

21.27

Kaum haben wir Andy Kaufman genossen, ist es auch schon wieder vorbei! Die strahlende Vorkampf-Siegerin sieht aus, als könnte sie locker noch 10 Runden dran hängen und gibt auch noch qualifizierte Kommentare ab: Die Regina müsse in den ersten beiden Runden aufpassen, dann den Raab einfach weghauen! Der Stefan hingegen...Oh Gott! Jemand hat Dolly Buster rein gelassen, aber Überraschung: Sie ist vollkommen unserer Meinung und findet es auch gut, wenn Frauen gegen Männer boxen. Vor allem, wenn die Frauen dafür so gut bezahlt werden.

21.37

Wieder in Raabs Kabine: Seine Fäuste werden getapet - hoffentlich wird das Jünglein richtig gewickelt. Er riskiert eine Prognose: "In der fünften Runde geht Regina zu Boden." Wenn er meint. Die Siegerin von eben stellt hingegen nochmal schlicht und entwaffned klar: "Er kann nicht boxen." Seine einzige Überlebenschance: "Er ist aber ein cleverer Typ." Vielleicht hat er eine Geheimwaffe: Miniaturwoks in den Handschuhen. Wir trauen ihm alles zu. Denn eins ist klar: Der Typ will einfach nur gewinnen! Das immerhin hat Anke Engelke richtig analysiert.

21.45

Jetzt müsste es eigentlich losgehen, denn eins hat Raab geschafft: Wir sind gespannt. Aber er weiß ja auch, wie man einen Abend in die Länge zieht und damit Geld verdient - alle paar Minuten fällt der Name des Sponsors. Und die Bands stehen bei ihm eh immer Schlange: Diesmal darf Avril Lavigne ran. "I don't like your Girlfriend", singt sie live von ihrer Rockband begleitet, die Akustik der Kölnarena lässt zu wünschen übrig. Raab träumt immer noch den Rocky-Traum: Sich durch Leidenschaft in das Herz der Zuschauer zu kämpfen! Dafür verzichtet er sogar auf Cola und isst Obst - Respekt! Seine einzige Sorge: "Hoffentlich treff' ich auch!"

22.00

Puh. Vorkampf-Orgie. Jetzt auch noch Mann gegen Mann, Schwergewicht, achja, Gleichberechtigung. Helge Schneider sitzt im Publikum, er wirkt angespannt, hält es auch schon nicht mehr aus. Ist er auf der Seite seines Musikerkollegen Stefan Raab?

22.10

Wenn wir gleichgeschlechtliches Boxen gucken, dann warten wir eigentlich nur auf K.O.s - wenn die Fäuste an den Kinnladen den Hallelujah-Akkord anschlagen. Für alle, denen das Warten auf die "Rückkehr der Killerplauze" zu lang wird, hier die besten Knock-Outs:

22.17

Super, oder, wenn der Mundschutz rausfliegt - ist ja quasi der Ausschalter. Wie sich das anfühlt, darüber will man nicht nachdenken. Und mit den Jungs tauschen will man ja sowieso nicht. Dann schon lieber Jungprofi bei Bayern München, morgens kurz trainieren, dann die Haare gelen und mit dem Cabrio durch die Stadt fahren. Und der Olli ist ja das Lämmchen unter den Schwergewichten.

22.25

Tarzan "Mützengesicht" (Welke) Raab führt verschiedene Kopfbedeckungen vor, jetzt trägt er einen Traum aus grüner Grobwolle. Jane Halmich trägt ein Röckchen von Feuerzungen. "Star Wars"-Musik: "Möge die Macht mit ihnen sein." Jetzt gleich geht's dann doch wohl los. Nach der Werbung. Sagen sie. Vielleicht kämpfen auch wieder zwei schwere Langweiler und wir müssen noch einen Videoclip suchen.

22.35

Die Scissor Sisters singen "She's My Man", ein Abend im Zeichen der angewandten Gender-Theorie - fehlen nur noch Tokio Hotel. Auch die Sisters kämpfen mit der Akustik, denn singen sollen sie ja angeblich können. Hört sich leider nicht so an. Hoffentlich kann man bei dem schlechten Raumklang die Zähne splittern und die Nasen brechen hören.

22.41

Um den Boxring ist wie immer konzentrisch die gesellschaftliche Elite versammelt. Ring-Moderatorin Johanna Klum benutzt im Gespräch mit Joey Kelly das lang gezogen betonte Wort "O-kaay", das seit einigen Jahren grassiert wie eine hippe Grippe. Helge Schneider trägt eine unglaubliche Wollweste, die ans Testbild des kasachischen Fernsehens erinnert. Und - Sensation! - auch er reiht sich in den Raab-Schulz-Maskeschen Comebackreigen ein und stellt eine Rückkehr in den Boxring in Aussicht. Wussten wir noch gar nicht, dass es da etwas zum Comebacken gibt. Er muss jahrelang auf diesen Moment gewartet haben. Immer noch kein Hauptkampf. Sondern Trainingsberichte. Nur Geduld, wird schon. Also wieder ein Video, ein schöner Tierfilm:

22.55

Klasse. Die Känguruhs einfach mal parallel zu einem Männer-Boxkampf laufen lassen; verblüffend: Beide Spezies tun so, als wollten sie kämpfen, in Wirklichkeit wollen sie aber kuscheln. Tief in ihnen schlägt ein weiches Herz, also clinchen sie, als gäbe es kein Morgen und hätten sich zufällig in der Besenkammer des letzten Atomschutzbunkers getroffen. Ach ja, Elton wettet: Wenn Raab es bis in die 5. Runde schafft, läuft er den New-York-Marathon. Dass es wie bei den Business-Kaspern immer gleich der "New-York-Marathon" sein muss... Klarer Fall: Der Ex-Praktikant hat Karriere gemacht. Wieder Werbung. Noch einen Videoclip? Nee, oder?

23.00

Jimmy Lennon Junior, man muss ihn wohl kennen, hat den geilsten und spezialisiertetsten Beruf der Welt: Er ist Announcer. Und jetzt announct er - endlich - den Hauptkampf: "It's showtime!" Zuerst betritt Halmich die Arena, und plötzlich ist da, wir wollen es erst nicht glauben, nach Dolly noch 'ne krasse Blondine: Doro Pesch, die Warlock-Sängerin, singt im nietenübersäten Lederkorsett die Landkreis-Rockdisco-Hyme "All We Are"; oberkörpertätowierter Schlagzeuger. "REGINA"-Lettern flammen neonlichtern auf. Stilecht schwebt die Matadorin in einem Käfig von der Decke hinab. Dann Raab: Der Announcer besingsangt seine Komponistentaten: "Bertie Vogts", "Die Maus", "Maschendrahtzaun". Raab fährt zum Song "War" in einem Panzer in die Halle und zeigt uns: Er hat das längste Kanonenrohr. Wenn das mal kein Krepierer wird. Mit Camouflage-Netzen getarnt der Wagen, im Camouflage-Look bebademantelt der Mann. Sonnenbrille. Er setzt die Mütze ab und jetzt wissen wir auch, welchen Look er anstrebt: Er hat sich eine Irokesenfrisur rasieren lassen und sieht aus wie Travis Bickle in "Taxi Driver". Sie wissen schon: "Redest Du mit mir?"

23.10

Die optische Verwandlung ist perfekt: The Killerplauze - sein Kampfname prangt auf der Hose - sieht überraschend furchteinflößend aus. Das liegt aber auch am Mundschutz, der die Züge ins Martialische verzerrt. Tänzeln, Raab greift an, Halmich macht einfach weiter, unbeeindruckt. Gesichtstreffer! Sie ist immer noch entspannt: Wieder zwei Gesichtstreffer.

23.15

Die erste Runde hat Raab sofort Respekt gelehrt: "Nichts da von seinem aggressiven Kampfstil", sagt der Reporter. "Wo bleibt die Cellulite-Peitsche", fragt er, und wir wissen: Raab bräuchte das ein oder andere Känguruh zur Verstärkung. Sein Kopf ist ochsenblutrot: Hat Travis Bickle etwa einen Wutanfall?

23.18

Regina geht auf ihren Gegner los, Raab kommt nochmal mit dem Mut der Verzweiflung, aber Halmich kann darüber nur lachen, sie hat die nächste Attacke schon im Flammenröckchen. Schon wieder Werbung.

23.22

Großartig: Wir bewundern, wie viel Willen und positive Energie Raab aus seiner erwartbaren Niederlage ziehen konnte. "Die Killerplauze weiß, seine Kraft geht zu Ende", erkennt der Reporter. Wie poetisch. Die Killerplauze taumelt rückwärts quer durch den Ring bis in die Ecke und geht dann auf offensiven Kuschelkurs. Im Publikum werden die "Stefan, Stefan"-Chöre lauter, Respekt für seine Leidensfähigkeit. Anke hat große Angst.

23.25

Ankes Angst ist berechtigt, wie die Zeitlupe zeigt. Da sieht man, wie weh Frau Halmichs Behandlung tut. Raab wird angezählt, er gibt nicht auf, bäumt sich auf, die Energie des Publikums verleiht ihm übermenschliche Kräfte. Seine Arme baumeln wie leere Kartoffelsäcke an einer Vogelscheuche auf einem Acker, der dem Bauern längst egal ist, weil er ihn für den Bau einer Umgehungsstraße verkauft hat. Letzte Runde. Das wurde aber auch Zeit.

23.27

Noch ist Halmich nicht in Sicherheit, hüte Dich vor dem verwundeten Elefanten! Vor allem, wenn er einen Iro trägt. Noch 20 Sekunden, Raab kommt, noch 10 Sekunden, Raab kommt nochmal, macht die Arme lang, letzte Umarmung.

23.30

Der Abend hat mindestens 19502 Sieger. Regina hat gewonnen, Stefan ist stolz, durchgehalten zu haben, und das Publikum fordert eine Zugabe. LaOla! Goldenes Konfetti! Raab steigt auf die Seile und zeigt der Menge sein geschundenes Fleisch. Der Möchtegern-Travis-Bickle wird in dem ganzen Glitter zum Goldmariechen, Regina Halmich lobt sein großes Kämpferherz. Zum Schluss Rocky-Worte von Raab: "Wichtig ist nur, dass man kämpft, egal, in welcher Klasse man spielt." Korrektur: Einen Verlierer gibt es doch. Elton muss den New-York-Marathon laufen, hoffentlich müssen wir uns das nicht angucken.

23.54

"It's time to say goodbye": Stefan Raab erklärt "definitiv und für alle Zeiten" seinen "Rücktritt vom Boxsport".

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: